KarnevalswagenBildband "Jacques Tillys Narrenfreiheit"Bildband Narrenfreiheit

Jacques Tilly: Grenzgänger des Humors

Westdeutsche Zeitung, 5.1.2007, von Dieter Sieckmeyer

Wo das Ende der Narrenfreiheit liegt, hat Jacques Tilly öfter mal ausprobiert. Die Streitfälle des närrischen Wagenbauers sind jetzt in einem Buch dokumentiert.

Wenn die Kölner Jecken am Veilchendienstag in die Zeitung schauen, dann erblasst so mancher vor Neid. Denn auf den Titelseiten der überregionalen Tageszeitungen sind regelmäßig Rosenmontagswagen aus Düsseldorf zu sehen. Und nicht nur da. Jacques Tilly und sein Team haben es mit ihren bissigen Motiven sogar schon bis in die amerikanische und arabische Presse gebracht. Der kreative Kopf feiert in diesem Jahr Jubiläum: Seit zwei mal elf Jahren baut der geborene Düsseldorfer die närrischen Wagen. Das passende Geschenk dazu machte er sich selbst. "Jacques Tillys Narrenfreiheit" heißt das Buch von Udo Achten, das gestern vorgestellt wurde.

Dass man mit Humor keinen Spaß macht, hat der studierte Kommunikationsdesigner selbst oft erlebt. Darum sind in dem Buch vor allem die Streitfälle zu sehen - und mancher Wagen, der am Ende doch nicht gebaut werden durfte.

Der Kruzifix-Wagen: Bundesweit Schlagzeilen machte der Düsseldorfer Karneval 1996. Damals hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass es rechtswidrig ist, wenn in Bayern jedes Klassenzimmer mit einem Kreuz geschmückt wird. Edmund Stoiber persönlich stellte sich damals an die Spitze der christlichen Protestbewegung. Drei Narren am Kreuze zum "Karneval in Bayern" dachte sich Jacques Tilly dazu aus. Da formierte sich auch in Düsseldorf der Widerstand, allen voran Monsignore Leonhard Moll, damals Pastor von St. Lambertus. "Da wurden sogar unsere Sponsoren unter Druck gesetzt", erinnert sich Tilly.

Das Carnevals Comitee entschied sich, den Wagen nicht fahren zu lassen. Trotzdem fuhr er "verhüllt" am Ende des Zuges mit. Das kostete Rosenmontagszugleiter Hermann Schmitz damals den Job. Heute ist er wieder in Amt und Würden. Nicht so Leonhard Moll. Wie durch Zufall wurde wenige Tage nach Aschermittwoch bekannt, dass der Pastor Vater eines unehelichen Kindes ist. Er dankte ab.

Der Smeets-Wagen: Nicht zu sehen bekamen die Düsseldorfer im Jahr 2000 den Smeets-Wagen. Der zeigte eine erdolchte Marlies Smeets, nachdem sie die "Stichwahl" gegen Oberbürgermeister Joachim Erwin verloren hatte. "Geschmacklos, menschenverachtend und frauenfeindlich", fand die SPD-Politikerin den Entwurf. Das Carnevals Comitee zog ihn zurück. Tilly: "Seitdem gehen Marlies Smeets und ich uns aus dem Wege, obwohl es Zeit für ein klärendes Gespräch wäre." Seit dem Streit bleiben alle Mottowagen bis Rosenmontag unter Verschluss.

Die Bush-Wagen: Je weiter weg das Opfer, desto größer die Narrenfreiheit. So sorgten die Motive mit dem amerikanischen Präsidenten George Bush zwar für großes Aufsehen, aber selten für Arger. Als Tilly 2003 Bush und Saddam Hussein als schmusendes Schwulenpärchen zeigte, druckten auch viele US-Zeitungen das Foto ab. Bis in die arabische Presse schaffte es Tilly ein Jahr später mit seinem Bush und der langen Lügennase. Darauf stand "Der Irak hat Massenvernichtungswaffen".

Die Narrenfreiheit: Grundsätzlich ist Jacques Tilly aber mit den Arbeitsbedingungen in Düsseldorf hochzufrieden: "Das Carnevals Comitee lässt uns sehr viele Freiheiten. Manche Entwürfe, die nicht scharf genug sind, bekommen wir sogar zurück und müssen sie überarbeiten". Aber auch für den 43-Jährigen gibt es Grenzen: "Alles, was irgendwo mit Ausländerfeindlichkeit oder Rassismus zu tun hat." Im vergangenen Jahr war der Streit um die Mohammed-Karikaturen gerade auf dem Höhepunkt: "Da muss man natürlich nachdenken, was man macht. Wir wollen ja keinen neuen Weltkrieg auslösen." In diesem Jahr könne man beim Rosenmontagszug mit dem Thema Islam sicher schon ein wenig großzügiger umgehen: "Sogar die Evangelische Kirche hat uns dazu aufgefordert."

Jacques Tilly ist am 27. Juni 1963 in Düsseldorf geboren. Seit 1984 arbeitet er als Wagenbaukünstler im Rosenmontagszug mit: "Eigentlich als Nebenverdienst während meines Studiums als Kommunikationsdesigner in Essen." Seit 1999 arbeitet er hauptberuflich für den Karneval und entwirft Großplastiken für Events, Messen und Filmproduktionen.

Das Buch "Jacques Tillys Narrenfreiheit" ist im Klartext-Verlag erschienen und kostet 15,95 Euro.

Bildunterschriften:

Oben: Um die Welt ging die lange Nase von George Bush.

Mitte: Fuhr verhüllt am Ende des Zuges: Der umstrittene Kruzifix-Wagen.

Unten: Fuhr nicht (li.): Die erdolchte Marlies Smeets. Fuhr (re.): Angela Merkel als USA-Fan.