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"Bloß nicht zu jeck, das Ganze"

Rheinische Post, 18.5.2000, von Alexandra Ressing

Rheinischer Export zur "Expo": Jacques Tilly baut Wagen für Siemens

Eigentlich hätte der Mann jetzt frei, würde mit seiner Frau und seinem Sohn irgendwo am Strand liegen. Das hat er bisher immer getan, wenn die Karnevals-Session vorbei war und seine Mottowagen schon lange eingestampft. Doch dieser Frühling ist anders. Jacques Tilly, der Wagenbaumeister des Düsseldorfer Karnevals, hat Stress. Er entwirft, formt, kleistert, pinselt - und das im Mai. Gerade hat er eine dicke blaue Weltkugel fertig, die mit einem Handy telefoniert. Ein großer Elektro-Stecker aus Pappmaché steht im Hof vor der Halle zum trocknen. Ein Umzug, mitten im Sommer? Ja, und zwar auf der "Expo 2000" in Hannover.

200 Meter lange Parade

Die Firma Siemens läßt am 7.Juni eine 200 Meter lange Parade drei Mal quer durch das Gelände der Weltausstellung ziehen. Neben 360 Darstellern in phantasievollen Kostümen (die ebenfalls Tilly entworfen hat), einem chinesischen Drachen und drei Bands kommen dabei auch fünf jeweils elf Meter lange und vier Meter hohe Wagen zum Einsatz, deren bunte Aufbauten derzeit in der Halle am Steinberg entstehen. "Zuerst war der Kunde skeptisch, als er hörte, Tilly baue sonst Karnevalswagen", erzählt Annette Hardt von der Wuppertaler Agentur G&D . "Bei Karneval dachten die Leute von Siemens direkt an polternde Jecken und Knollennasen." Inzwischen sind die Herren aus München beruhigt. Eine bayerische Delegation stapfte vor drei Tagen erstmals durch die Werkstatt und schaute sich die Figuren an. "Sie waren begeistert. Der Projektleiter würde am liebsten alles aufheben, was Herr Tilly gebaut hat", versichert die Event-Managerin. Doch bis dahin war es ein langer Weg: " Meine ersten Entwürfe waren zu kreativ. Seriöser und technischer sollte es aussehen", berichtet der Baumeister. Teure Metallic-Farbe musste her, und von mancher ausgeflippten Idee musste sich der Wagenbauer verabschieden.

Dicke, pustende Wolke

"Für jeden Geschäftsbereich steht ein Wagen", erklärt Tilly, dem sieben Kollegen bei der Arbeit helfen. Sie formen zum Beispiel DNS-Stränge aus Schaumgummi, die sich um den "Gesundheits-Wagen" winden sollen. Es gilt, dicke Wolken anzumalen, die einen Propeller anpusten - Synonym für Windkraft auf dem "Energie-Wagen". Wellen-Wesen steuern ein Gefährt, das aussieht wie eine Mischung aus Schiff, Zug und Flugzeug. Das Thema: "Transport". "Information und Kommunikation" - die telefonierende Weltkugel hat auf diesem Wagen den Logenplatz. "Für den Industrie-Wagen hat Siemens einen der Organisatoren der Love-Parade gewonnen", erzählt Tilly. Das Vehikel schimmert silbrig und soll das Expo-Gelände mit Techno beschallen.

Gibt es auch Kamelle beim Umzug? "Frisbee-Scheiben und Bälle werden fliegen", sagt Tilly. Er habe den Münchnern zur "Interaktion mit dem Publikum" geraten. Rheinische Erfahrung - exportiert auf die Expo. Hat der König der bunten Papp-Figuren nach der Parade endlich Urlaub? Tilly schüttelt den Kopf. Auf der Expo-Carnevale, der ersten Karnevalsmesse, wird er Workshops machen - Thema "Wagenbau" natürlich.

Bildtext: Die giftgrüne Schlange windelt sich um den Stab des Äskulap. Sie ist Bestandteil des Siemens-Parade-Wagens zum Thema Gesundheit.

Bildtext: Die telefonierende Weltkugel repräsentiert den Bereich Information/Kommunikation - und ist auf dem dazugehörigen Wagen die tragende Gestalt.

Bildtext: Wind, Sonne, Steckdose - Energiequellen gibt es viele, und alle sind auf dem Energie-Wagen zu finden, den Tilly entworfen hat. Die pustende Wolke steht schon abholbereit in der Halle.

Bildtext: Sybilla Bischof und Marc Remmert helfen Jacques Tilly beim Malen - die Sonnen gehören an den Wagen zum Thema "Energie".