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Rede von Jacques Tilly zur Verleihung des Trikots für Menschenrechte am 28.6.2017 in der Wagenbauhalle Düsseldorf

Wer eine Dankesrede hält, kommt ohne die Floskel „ich freue mich” meist nicht aus. Alle Redner freuen sich immer, meistens freuen sie sich sogar sehr. Und das gleich mehrfach in einer Rede. Normalerweise versuche ich ja, solche Leerfloskeln zu umgehen oder zumindest zu umschreiben.

Aber diesmal kann auch ich nicht anders, als zu sagen:

Ja, ich freue mich, ich freue mich sogar sehr, dass Amnesty International mir und damit stellvertretend für alle meine Teammitglieder und das Comitee Düsseldorfer Carneval dieses gelbe Trikot der Menschenrechte verleiht.

Es ist wirklich großartig, dass gerade Amnesty unsere Arbeit auf diese Weise würdigt und positiv bewertet. Denn Amnesty International, das ist ja wirklich nicht irgendwer. Amnesty, das sind die Sachwalter der Menschenrechte auf Erden. Eine kompetentere und renommiertere Beurteilungsinstanz gibt es kaum. Mein ganzes Leben habe ich Amnesty für den konsequenten Einsatz für die Menschenrechte, für den Einsatz gegen die Folter und die Todesstrafe bewundert. Amnesty, wir wissen es alle, ist oft die letzte Hoffnung für alle diejenigen Menschen, die von verbrecherischen Despoten weggeschlossen werden, meist unter schlimmen Haftumständen.

Wenn Amnesty heute unsere Arbeit auf diese Weise wertschätzt, dann ist das schon wie ein Ritterschlag. Denn Amnesty steht für etwas ein, an dem sich auch ein Satiriker wie ich orientieren kann. Satire heißt nicht einfach nur Draufhauen, Verspotten und Verletzen um jeden Preis. Satire sollte sich durch eine innere Haltung auszeichnen, einen Wertekanon, einen ethischen Kompass, der einem sagt, wo oben und unten ist. Nur so kann man sicher urteilen und eventuell eben auch verurteilen. Eine gute Treffsicherheit in Sachen satirischer Humor ist die Folge geschärfter Urteilskraft, die sich ohne einen klaren ethischen Maßstab nicht denken lässt.

Und ich für meinen Teil habe mich entschieden. Ich orientiere mich an den Werten der Aufklärung, an einem säkularen Humanismus, am Menschenrechtskanon, an den Ideen der frz. Revolution: An der Trinität von Freiheit, Gleichheit, Geschwisterlichkeit.

Im Folgenden will ich auf den aktuellen Stand der Menschenrechtsidee etwas genauer eingehen. Wenn diese Dankesrede gleich leicht in Richtung einer Vorlesung mutiert und die angedachte Zeitspanne von zwanzig Minuten möglicherweise überschreitet, dann bitte ich Sie alle um Nachsicht.

Es gab mal eine Zeit vor einigen Jahrzehnten, in den 90er Jahren, da haben wir geglaubt, die Weltgeschichte kenne nur eine Himmelsrichtung: nach Westen, in Richtung Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Achtung der Menschenrechte, Marktwirtschaft. Man dachte, die politische Freiheit würde sich über kurz oder lang weltweit schon von selbst durchsetzen.

Heute sind wir schlauer.

Die liberale Demokratie und die mit ihr verbundene Menschenrechtsidee ist schwer in die Defensive geraten. Die Türkei hat uns allen erschreckend vor Augen geführt, wie leicht, wie schnell, mit wie wenig Gegenwehr auch demokratisch relativ gefestigte Gesellschaften in die politische Barbarei zurückfallen können. Und die USA werden von einem komplett inkompetenten und bösartigen Kleinkind im Körper eines 70jähigen regiert. Trumps vielleicht wichtigster Berater ist nach wie vor der Rechtsradikale Steve Bannon. Seinem Einfluss auf den irren Blondschopf ist es zu verdanken, dass die USA das Pariser Klimaabkommen gekündigt haben. Anhand von Bannons übler Weltsicht kann man exemplarisch beschreiben, warum die Menschenrechtsidee in der Defensive ist. Wie Bannon tickt, so ticken in vielen Punkten die FPÖ, die AfD, Pegida, der Front National, die Identitären und vergleichbare Gruppierungen auch.

Die Menschenrechtsidee wird von Bannon verachtet und bekämpft, weil sie in seinen Augen die Souveränität der USA, also des Staates untergräbt, bindet und einschränkt. Bannon hasst die UNO, die EU, er hasst alle internationalen Vereinbarungen, Konventionen er hasst jede Form internationaler Zusammenarbeit, er hasst die Globalisierung. Die USA müssen frei von allen selbstverpflichtenden Einschränkungen archaisch-brutale Machtpolitik betreiben dürfen. Menschenrechte und universelle Werte, das sind alles linke Spinnerillusionen, Traumtänzereien. Darum sind Trump und Bannon gegen die Nato, gegen den Klimaschutz, gegen Handelsabkommen. Und die Staaten dürfen egoistisch sein, sie dürfen und müssen und werden Krieg führen. So war es in der bisherigen Menschheitsgeschichte, und so wird und soll es auch in Zukunft sein. Das ist Bannons rechtsradikales, zutiefst sozialdarwinistisches und kriegsverherrlichendes Weltbild. Und Bannon ist der Chefstratege des mächtigsten Mannes der Welt, des Herrschers einer Nation, die über das größte Militärpotential aller Zeiten verfügt. Bannon ist wahrscheinlich der momentan gefährlichste Mensch der Welt. Er selbst würde sich über diese Einschätzung sicherlich freuen. Hat er doch selbst einmal gesagt, seine Vorbilder seien Darth Vader und der Satan.

Putin denkt übrigens nicht viel anders. Der in Russland sehr einflussreiche rechtsextreme Ideologe Alexander Dugin hat ähnliche wahnhafte Vorstellungen. Auch er, der „große Eurasier”, will genau wie Bannon den neuen Krieg, auch er ist ein Apokalyptiker, der vom reinigenden Weltenbrand träumt.

Wir wissen nicht, wie es weitergeht, und welche Idee, welche Richtung sich am Ende durchsetzt. Das Spiel ist wirklich noch offen.

Der Historiker Philipp Blom, den ich sehr schätze, hält es für möglich, dass die Zeit, in der die Menschenrechtsidee Gültigkeit besitzt und normativ war, nur eine kurze historische Episode der Menschheitsgeschichte sein wird. Denn Menschenrechte sind eine Fiktion, die es in der Natur nicht gibt. Sie sind eine Erfindung, keine Entdeckung. Die Menschenrechte beruhen auf einer Übereinkunft, auf die sich Gesellschaften geeinigt haben. Und diese Gesellschaften können sich genauso gut wieder auf etwas ganz Anderes einigen. Wenn wir die Menschenrechtsfeinde aller Art widerspruchslos gewähren lassen, kann es passieren, dass das Zeitalter der Menschenrechte nur eine kurze historische Episode von wenigen Jahrhunderten bleibt.

Die Menschheit lebte ja bis vor etwa 250 Jahren ohne die Menschenrechtsidee. Und in diese alten, archaischen Gesellschaften träumen sich die neuen autoritären Bewegungen, ob sie nun Islamischer Staat oder Alt-Right-Bewegung heißen, wieder zurück. In diesen vormodernen Gesellschaften galten überwiegend zwei gegensätzliche Moralsysteme: Einerseits herrscht hier eine positive Binnenmoral für die Mitglieder der eigenen Gruppe, der In-group. Hier gelten Solidarität, Empathie und Nächstenliebe.

Aber wehe denen, die nicht zur eigenen Gruppe gehören, den „anderen”, den Andersdenkenden, Andersrassigen, Andersgläubigen. Denen gegenüber reagiert die In-group mit dem Gegenteil: mit Abtrennung, Ausgrenzung und im Extremfall - der oft genug eingetreten ist – mit Hass, Krieg und Grausamkeit. Es gab nur „wir” und „die”. Im Grunde ist das die Ethik von Wolfsrudeln oder Affenhorden: vorzivilisiert, instinktgeleitet, animalisch. So lebte die Menschheit Jahrhunderttausende.

Der Zivilisationsprozess der Moderne besteht ja gerade in der Überwindung dieser doppelten Moral. In der Menschenrechtsidee werden die Rechte, die vormals nur im eigenen Rudel galten, auf alle Angehörigen unserer Art ausgedehnt: auf die gesamte Menschheit eben. Dann gibt es gar keine Out-group mehr, weil ganz einfach alle Menschen per definitionem dazugehören. Die Menschenrechtsidee ist die grandioseste und humanste politische Idee gewesen, die die Menschheit je hatte. Und ich benutze den Superlativ hier wirklich bewusst.

Im Laufe dieses Humanisierungsprozesses der letzten Jahrhunderte wurden immer mehr vormals ausgeschlossene Gruppen gesellschaftlich integriert: Andersgläubige, Farbige, die Arbeiterklasse, die Frauen (immerhin die Hälfte der Bevölkerung), Behinderte und zuletzt, noch zu unseren Lebzeiten, Homosexuelle. Diesen Prozess hat der Philosoph Michael Schmidt-Salomon in seinen Büchern „Hoffnung Mensch” und „Die Grenzen der Toleranz” eindrucksvoll nachgezeichnet. Und diese Entwicklung ist noch lange nicht abgeschlossen. Sie könnte anhalten, bis wir alle begreifen, dass die ganze Menschheit eine einzige Familie ist, eine Menschheitsfamilie. Wir müssen begreifen, dass alle kulturellen Konzepte, die auf der Trennung von Menschen basieren, wie Religion, Rassismus und vor allem Nationalismus überwunden werden müssten.

Diese ganze Denkart ist den Rechten, den alten und neuen Nationalisten, zutiefst zuwider. Sie versuchen, die Gleichheitsidee durch den Rückfall in die alte Doppelmoral von ”wir” und ”die” zu unterminieren. ”Wir”, das sind in Deutschland die Biodeutschen, ”die”, das sind die kulturfremden Flüchtlinge. Wer kollektivistisch denkt, teilt halt gern in Gruppen ein. In dieser Perspektive besteht die Menschheit nicht aus gleichberechtigten Individuen, sondern aus Nationen, aus Volks- und Kulturgemeinschaften, die sich möglichst nicht mischen sollten.

Die Rechten mögen die Menschenrechte nicht, weil diese nicht die Gemeinschaft, sondern den Einzelnen und seine Rechte im Blick haben. Denn die Grundrechte des Grundgesetzes, die ja positive Ausgestaltungen der allgemeinen Menschenrechte sind, sind Abwehrrechte des Einzelnen, des Individuums, gegen den uneingeschränkten Zugriff kollektiver Größen wie etwa der Staat, die Volksgemeinschaft, die Religionsgemeinschaft, die Familie, das Militär. Und diese Größen sind den Rechten heilig. Der Einzelne hat sich hier gefälligst bis zur Selbstaufgabe unterzuordnen.

Bei der extremen Linken ist das übrigens nicht viel anders. Hier ist das Individuum eine bürgerliche Fiktion, die zugunsten der Klasse bzw. der klassenlosen Gesellschaft aufgelöst gehört.

In den totalitären Gemeinschaftsidealen von extrem Links und extrem Rechts verliert der Einzelne seine Freiheit. Stattdessen darf er sich im Zusammengehörigkeitsgefühl einer gleichgeschalteten, homogenen Gruppe wärmen. Du bist nichts, deine Gruppe, dein Rudel, deine Klasse, dein Volk ist alles, das ist die ewig gleiche Losung aller antiindividualistischen Menschenrechtsfeinde. Urvater zumindest der linken Variante des kollektivistischen Totalitarismuskonzepts ist übrigens der Aufklärer Jean-Jacques Rousseau mit seinem ”Contrat social”.

Und in diesen Weltbildern gibt es selbstverständlich auch keine Meinungsfreiheit. Die kann es nämlich nur in pluralistischen Gesellschaften geben. In diesen muss man die gegenteilige Meinung ertragen können, ohne der Tendenz nachzugeben, diese zu unterdrücken, auszuschalten, zu eliminieren - und den Träger dieser Meinung am besten gleich mit. Eine konstruktive Streitkultur zu praktizieren ist eine Zivilisationsleistung.

Dass Donald Trump die Meinungsfreiheit am liebsten abschaffen würde, wissen wir ja, sein Missverhältnis zu allen klassischen Medien ist bekannt. Wer anders denkt als er, ist nichts als ein Lügner, dem das Maul gestopft gehört. Kritische Medien sind alle Volksfeinde. Die bundesdeutschen Rechten denken ähnlich: Wer nicht ihre eigene Meinung widergibt, gehört natürlich zur Lügenpresse.

Wie weit sich weite Teile der Bevölkerung inzwischen in einem Abwärtsstrudel aus paranoiden Verschwörungstheorien, Alarmismus und als Notwehr getarnte Gewaltphantasien befinden, habe ich selbst dieses Jahr so anschaulich wie noch nie erleben dürfen. Um das deutlich zu machen, will einen kurzen Einblick geben in die Hassmails, Facebook Posts und Netzkommentare über die Düsseldorfer Mottowagen von 2017:

„Tilly, du bist ein Idiot. Diese Kunst ist große Scheiße.”

„Du Schwachmat solltest dich mal auf Deinen Geisteszustand untersuchen lassen, hoffentlich zerren dich die Angesprochenen vor Gericht. Und jetzt verpiss dich zu deinen grünen Kiffer-, Kinderschänder- und Terroristenfreunden.”!

„Linker Meinungsfaschist.”

„Düsseldorfer Feiglinge von erbärmlich jämmerlicher Art und Weise, kriechen der deutschen Politik in den Arsch. Für die Verräterin Merkel habt ihr keinen Wagen, da seid ihr ja so erbärmlich niederträchtig feige.”

„Blond ist das neue Braun ist Hetze und Diskriminierung gegenüber allen blonden hier in Deutschland lebenden Bürgern.”

„Man sollte Dir Großmaul das Fell über die Ohren ziehen.”

„Arschloch. Verpissen Sie sich.”

„Jacques Tilly, mit Verlaub die Zeiten sind hart und Sie sind ein Arschloch erster Güte.”

„Ihr seid geschmacklose Schweine.”

„Wir kriegen Dich.”

„Ich hoffe, dass euch kranke Subjekte der Blitz beim Scheißen trifft.”

„Ich hoffe, für diesen kranken Scheiß werdet ihr zur Rechenschaft gezogen und Trump reißt euch die Ärsche auf.”

„Dieser Tilly ist eine trübe linke, bis zum Erbrechen angepasste Type.”

„Blond ist das neue Braun, das ist an Volksverrätertum nicht mehr zu überbieten.”

„Find ich gut, dass Tilly seine geistige Behinderung nicht versteckt und öffentlich zur Schau stellt.”

„Jacques Tilly, eine links-grün-versiffte Tunte, ein naiver Schwachkopf.”

„Systemhure.”

„Rückgratloser Systemling.”

„Der Stürmer war dagegen geradezu subtil.”

„Was ich dem Tilly an den Hals wünsche, schreibe ich hier besser nicht.”

„Tilly, der Streicher-Strichjunge.”

„Linke Hasspropaganda in Pappmasche geklebt.”

„Rassistisch blondenfeindliche Missgeburt ich hoffe dir rammt bald Jemand ein Messer in den Hals wie Henriette Reker, du Untermenschenratte.”

„Ab ins Gas mit euch.”

 

Die Urheber dieser Tiraden können es einfach nicht ertragen, dass es Menschen gibt, die die Dinge ganz anders sehen als sie selbst. Was diese Leute von Meinungsfreiheit halten, die sie ja selbst immer so lautstark propagieren, kann man an der Putinverherrlichung ablesen, die in diesen Kreisen grassiert. In Russland gibt es inzwischen nur eine einzige Meinung, und das ist die von Wladimir Putin. Und so hätten die Rechten es gerne auch hier.

Und in diesem chronischen Mangel an der Fähigkeit, sich auf einen echten demokratischen Pluralismus einzulassen, liegt auch der Kern des Problems, das die Religionsgemeinschaften mit den Menschenrechten hatten und noch immer vielfach haben.

Das ist jetzt auch mein letzter Punkt, danach will ich zum Ende kommen. Doch gerade hier besteht vor allem in Deutschland noch viel Aufklärungsbedarf.

Die Wissenschaften operieren mit relativen Wahrheiten, die jederzeit in Frage gestellt, überholt, für falsch erklärt werden können. Sie sind somit veränderbar und korrigieren sich laufend selbst. Die Religionen hingegen operieren mit absoluten, mit ewigen Wahrheiten. Das liegt in ihrer Natur. Wer eine andere Wahrheit als die eigene verkündet, gilt für die Religionsvertreter prinzipiell als jemand, der eine Unwahrheit verbreitet. Auch wenn man heute meist vorsichtig oder zumindest höflich genug ist, das nicht ganz so deutlich auszusprechen.

Alle Religionen haben die Tendenz, die Gesellschaften nach ihrem Bilde zu formen. Doch wenn der einzelne Mensch ein einklagbares Recht auf Selbstbestimmung besitzt, kann man diesem ja nicht mehr vorschreiben, wie er zu leben, zu lieben, zu denken hat. In pluralistischen Gesellschaften sind auch die Kirchen ja nur ein Player unter vielen und verlieren ihre anmaßende Vormundschaftsposition. Darum hat etwa die katholische Kirche die Menschenrechte 200 Jahre intensiv bekämpft. Bis in die 60er Jahre musste jeder Priester den Antimodernisteneid schwören. Jeder Priesteranwärter musste geloben, den gottlosen Ideen der Moderne, wie Demokratie, Liberalismus, Sozialismus und Menschenrechten zu entsagen.

Erst Anfang der 60er Jahre, beim 2. Vatikanischen Konzil, hat die katholische Kirche endlich, endlich eine Kehrtwende vollzogen. Obwohl der Vatikan zu den wenigen Staaten zählt, die die Menschenrechtscharta der UNO bis heute nicht unterzeichnet haben.

Beim Islam ist es ähnlich, liberale Kräfte in der islamischen Welt sind hoffnungslos in der Defensive. Es steht ja auch im Koran, der übrigens direkt von Gott kommt: ”Die Gesetzgebung gebührt niemandem außer Allah”. Nicht die Parlamente, nicht die UNO, letztlich darf nur Gott die Gesetze und damit die Rechte der Menschen festlegen. Wie kann sich der Mensch da frecherweise anmaßen, sich selbst Rechte zuzugestehen? Menschenrechte, das ist Blasphemie.

Die Religionen haben auch ihre Schwierigkeiten mit den Menschenrechten, weil diese naturgemäß säkular sein müssen. Wenn die Menschenrechte an religiöse oder weltanschauliche Voraussetzungen gebunden wären, dann wären sie ja nicht universell, nicht für alle Menschen gültig. Wenn sie aber nicht voraussetzungslos für alle Menschen gültig sind, verlieren sie ihre Wirkmacht. Darum halte ich es für problematisch, wenn die Menschenwürde, die ja den Kern der Grundrechte des deutschen Grundgesetzes ausmacht, aus religiösen Weltbildern hergeleitet wird. Etwa indem gesagt wird, der Wert des Menschen, seine Würde, ließe sich aus der Gottesebenbildlichkeit des Menschen herleiten. Denn wer die ideologische Vorrausetzung dieser Begründungskonstruktion nicht teilt, eben nicht an die Existenz eines Gottes glaubt, für den verpufft ja dann auch die Existenz von so etwas wie Menschenwürde. Darum sehe ich es sehr kritisch, dass die Menschenrechte von den Kirchen klammheimlich christianisiert werden.

Meist geschieht das aus mangelnder historischer Bildung heraus. Die Werte der Aufklärung werden einfach mit den christlichen Werten verwechselt. Zum Beispiel wird uns dann die Toleranz als christlicher Wert angepriesen. Damit werden aber die historischen Tatsachen auf den Kopf gestellt.

Man muss es klar feststellen: Alle Freiheiten, die wir in unserer demokratischen Gesellschaft heute genießen, sind in einem jahrhundertelangen Kampf gegen den teils erbitterten Widerstand der Kirchen erstritten worden. Das heißt nicht, dass die Kirchen nicht bisweilen auch Verbündete sein können, denn in der Flüchtlingsfrage und gegen Rechts machen beide Kirchen momentan eine wirklich gute Figur. Auch die Kirchen sind ja lernfähig und haben sich zumindest in unseren Breiten inzwischen mit den modernen Werten arrangiert und können sie auch glaubhaft vertreten. Aber alleinige Urheberrechte auf die Menschenrechte können sie nicht geltend machen.

Doch ich will Ihre Aufmerksamkeit nicht über die Gebühr strapazieren, vielleicht habe ich schon viel zu lang und zu ausführlich gesprochen. Zum Abschluss will ich noch einmal auf den Kern dieser Rede zu sprechen kommen, die ja eigentlich eine Dankesrede sein soll.

Ich danke also den Vertretern von Amnesty International, dass Sie heute dieses Trikot für die Menschenrechte an die Satire im Düsseldorfer Karneval vergeben.

Ich danke dem Comitee Düsseldorfer Carneval, das diesen wirklich beispiellosen Grad an Narrenfreiheit Jahr für Jahr nach Kräften fördert und unterstützt.

Danke auch an mein gesamtes Team, ohne das ich völlig aufgeschmissen wäre und auf deren Einsatz und Engagement ich immer zählen kann.

Ich danke den Mitgliedern des Düsseldorfer Aufklärungsdienstes, die ihr heute ebenfalls anwesend seid, für eure Arbeit. Die Hälfte Düsseldorfs ist heutzutage konfessionsfrei. Und es ist sehr wichtig, dass ihr diesen Menschen eine Stimme in dieser Stadt gebt.

Danke auch an die Presse, die den Kurs, den der Düsseldorfer Karneval seit Jahren in Sachen frecher Satire fährt, immer wieder wohlwollend-kritisch begleitet.

Dank an alle fürs Zuhören.