Pressespiegel1989 bis 2003selber machen, Nov. 2003

Figuren voll auf Draht

Zeitschrift "selber machen", 11/2003, von Sixta Uhl

Am 11.11. ist es wieder soweit: Mit Helau und Alaaf beginnt die närrische Zeit. Zu den Höhepunkten des rheinischen Karnevals gehören die Umzüge der bunten Wagen am Rosenmontag. Einer, der sich damit auskennt, ist der Düsseldorfer Wagenbauer Jacques Tilly. Wir haben ihn besucht.

Von sich selbst sagt er: "Ich bin kein Berufskarnevalist." Manch einer mag Jacques Tilly trotzdem für einen Narren halten. "Wenn die Blätter von den Bäumen fallen, ziehe ich in die Wagenbauhalle ein, und wenn die Krokusse kommen, wieder aus." So beschreibt der Workaholic die Wochen, in denen er Wagen für den Rosenmontagszug seiner Stadt entwirft und baut. Seit über 10 Jahren ist er mit dem Düsseldorfer Karneval verbunden.
Neben seinem künstlerischen Talent zeigte sich auch früh ein Hang zum Skurrilen. Es kam vor, dass er im Winter schon mal in Sandalen und einem umschlungenen Fell in der Schule erschien. Tilly über seine ersten beruflichen Vorstellungen: "Ursprünglich war mein Berufsziel Journalist. Die schnelle Arbeit bei der Tagespresse, wo man sehr unter Druck steht, hat mich interessiert". Doch es kam ganz anders: Während und nach dem Studium im Fach Kommunikationsdesign in Essen arbeitete er als Designer und Illustrator. Heute, als selbständiger Wagenbaukünstler, sagt er mit leuchtenden Augen: "Ich liebe die Arbeit mit klarem Auftrag. Sich in immer neue Projekte hineinzudenken und dabei erste schnelle Ideen und dann deren praktische Umsetzung zu perfektionieren, das sind meine Herausforderungen."

Bei den Großplastiken kommt ihm eine besondere Bauweise zupass, die er von einem alten Kollegen gelernt hat: das Drahten. Jede Figur beginnt mit einer Grundform aus Kükendraht, gestützt von Dachlatten oder Biegeleisten. "Man muß lernen, den Draht zu bändigen, und dann kann man mit ein wenig Material und Zeit ein großes Ergebnis erzielen", erklärt der erfahrene Drahtzieher Tilly.
Mit leimgetränktem Papier wird dann die fertige Drahtfigur kaschiert. Je nach Einsatzzweck der Plastiken kommen noch andere Materialien hinzu. Getrocknet ist das ganze äußerst stabil und kann bemalt werden. "Die Drahttechnik eignet sich besonders für große Formate" lehrt der Meister in Wochenend-Workshops. An seinen Großprojekten arbeitet Tilly meist mit mehreren Kollegen. Zur Gruppe gehört auch seine Frau Ricarda Hinz. Produziert wird nicht nur für den Karneval und selten für die Ewigkeit. Tilly spricht von "Ex- und Hopp-Technik", die sich besonders für Messen und jede Art von Events eignet. "Ich werde gern gerufen, wenn nur noch drei Tage Zeit sind", meint er. Dann ist "Kampfdrahten" angesagt und der Mann ganz in seinem Element. Närrisch, nicht?