Pressespiegel1989 bis 2003Narrenspiegel, Nov. 2003

Der Herr der Wagen

Düsseldorfer Narrenspiegel, Session 2003/2004

Künstler Jacques Tilly sorgte schon oft für Zoff im Rosenmontag

Wenn Jacques Tilly künstlerisch etwas gestaltet, provoziert er zumeist. So sehr, dass sich bereits die bayerische Staatskanzlei, die Deutsche Bischofs-Konferenz und CDU-Anwälte mit seinen Entwürfen und Mottowagen beschäftigten. Tilly gehört mit seinen Kollegen Gerd Wukasch und Jörg Alvermann zu den Männern, die für den Düsseldorfer Karneval fast noch wichtiger sind als CC-Präsident Günter Pagalies. Sie bauen die Mottowagen für den Rosenmontagszug. Das Trio arbeitet kollegial in der Wagenbauhalle zusammen, diskutiert, unterstützt sich gegenseitig. Die frechsten, schärfsten Motive stammen von Tilly. Wenn es um skandalträchtige Entwürfe geht, überlassen die beiden anderen ihm gern den Vortritt. Sein letzter Rosenmontagswagen, Bush und Saddam in friedlicher Umarmung, wurde sogar zur Top-Nachricht in der ARD-Tagesschau. "Das ungewöhnliche Paar war danach auf insgesamt neun Titelseiten vertreten", sagt der 39jährige Künstler, nicht ohne Stolz. Durch seine Provokationen ist er jetzt in ganz Deutschland bekannt. Anfragen kommen aber auch aus dem Ausland.

Tilly ist immer gut für einen Skandal im Rosenmontag. Deshalb hält das CC seine Entwürfe bis zum Zug mittlerweile unter strengem Verschluss. Denn in den Jahren zuvor wurde mal einer seiner Wagen ganz aus dem Verkehr gezogen, mal umgebaut, mal verhüllt, mal wichtige Details entschärft. Der Künstler teilt nach allen Seiten aus, hat weder vor Ministerpräsidenten, Kanzlern oder Päpsten Respekt.

Tilly hat ein gutes Stück Geschichte des Düsseldorfer Rosenmontagzuges mitgeschrieben. Seinen jecken Einstand gab er mit einem (...) Wagen "Der Fiskus" - vier kleine nackte Männer mit reichlich groß geratenen "kleinen Unterschieden". Jetzt forderten die Jecken, die Pappkameraden zu "entmannen". Tilly lehnte ab. Und so wurde der Wagen noch vor Rosenmontag demontiert. Fünf Jahre später gab es wieder Ärger um einen Penis: Der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl als Urwaldindianer "unten ohne". Ganz Deutschland amüsierte sich. Ein CDU-Rechtsanwalt drohte mit Klage. Die listige Idee der Jecken: Sie ließen ein bißchen Gras über "die Sache" wachsen.

Berühmt wurde vor allem Tillys Kreuzwagen. Unter dem Titel "Karneval in Bayern" hingen drei Jecken wie Jesus am Kreuz. Es war die Antwort des Künstlers auf den damaligen Kruzifixstreit südlich des Mains. Riesenaufregung bei der Katholischen Kirche. Ein Bischof sprach von "Gotteslästerung". Ministerpräsident Stoiber schaltete sich ein. Der Wagen fuhr dann total verhüllt im Zug mit.

Ärger brachte ihm auch einer seiner letzten Wagen ein: Angela Merkel kriecht US-Präsident George W. Bush in den Allerwertesten. Günter Pagalies und Jürgen Rieck, die mittlerweile ihren Tilly kennen, ließen ihn mitfahren. Pagalies: "Unsere Rosenmontagswagen sind längst bundesweit bekannt dafür, dass wir Politiker und andere Zeitgenossen auf ungewöhnlich witzige Art karikieren." Unterstützt wird er von OB Joachim Erwin. Der forderte die drei Wagenbauer sogar auf: "Haut uns ruhig in die Pfanne. Das müssen wir vertragen."

Studiert hat Tilly Philosophie und Design. Zum Karneval kam er Ende der achtziger Jahre eher durch Zufall. Eine Narrensitzung hat er bis heute nicht besucht. "Keine Zeit dafür". Mittlerweile arbeit der "Herr der Wagen" ganzjährig und ganztägig in der Halle am Steinberg. Er hat den Wagenbau zu seinem Beruf gemacht. Die Aufträge kommen aus ganz Deutschland - von Mönchengladbach bis Berlin und Leipzig. Für die Arena "Auf Schalke" hat er zum Beispiel die berühmtesten Fußballer der Vereinsgeschichte gestaltet. Auch sonst ist er gut im Geschäft, gestaltet Plastiken aus Styropor für Events, Messen, Filme. Bei der Karnevalsmesse in Köln zeigte er in einem großen Workshop dem Nachwuchs, wie man ordentliche Wagen baut. Die Holländer haben ihn zu Vorträgen eingeladen. "Fehlt mir nur noch der Titel "Professor für Wagenbau", spottet er.

Jacques Tilly hat zwei Söhne im Alter von zwei und vier Jahren. Seine Frau hilft gelegentlich mit in der Halle. Ebenso wie sein Vater Thomas Tilly, ein studierter Diplom-Ingenieur. "Er ist für die technischen Dinge zuständig".

CC-Präsident Günter Pagalies: "Für uns sind die drei Wagenbauer Wukasch, Alvermann und Tilly ein Glücksfall. In ganz Deutschland wird längst anerkannt, dass wir in Düsseldorf die schönsten Rosenmontagswagen bauen." An die Leine nehmen wollen weder Pagalies noch CC-Geschäftsführer Jürgen Rieck den von Skandalen umwitterten Künstler Tilly. Pagalies: "Die Mottowagen sollen ja karikieren, persiflieren, frech sein. Sie sind die Würze unseres Rosenmontags. Tilly hat seine künstlerische Freiheit. Er weiß aber genau, wie weit er gehen kann. Die Zusammenarbeit mit ihm läuft reibungslos".

ey