Pressespiegel1989 bis 2003NRZ, 25.2.2003, Exportschlager

Ein närrischer Exportschlager

NRZ, 15.2.03, von Rüdiger Hoff

Interview / Die von Jacques Tilly gestalteten Karnevalswagen sind mittlerweile bundesweit begehrt.

Das alte Straßenbahndepot an der Merowinger Straße präsentiert sich in den buntesten Farben. Die Karnevalisten pinseln, kleben und werkeln in der Wagenbauhalle. In rund zwei Wochen sollen 64 Motiv-Karossen beim "Zoch" an den Start gehen. Seit mehr als 10 Jahren ist Jacques Tilly Chef-Konstrukteur und künstlerischer Leiter des CC. Mit einem sechsköpfigen Team unterstützt er die Vereine und entwirft die Mottowagen. Mittlerweile sind die in Düsseldorf gestalteten Narrenvehikel sogar bundesweit begehrt, verriet Tilly im NRZ-Gespräch.

NRZ: Was hat sich beim Wagenbau in den vergangenen zehn Jahren geändert?

Tilly: Technisch sehr wenig, menschlich aber viel. Früher bestand eine recht große Distanz zwischen den Künstlern und den Vereinsmitgliedern. Jetzt ist die Atmosphäre viel entspannter und kollegialer, die Berührungsängste sind abgebaut. Alle arbeiten Hand in Hand.

NRZ: Einige Vereine klagen über finanzielle Probleme. Macht sich das bemerkbar?

Tilly: Ja, sie kaufen weniger hinzu, leisten mehr in Eigenarbeit. Viele haben unsere Workshops "Farben mischen" und "Bildhauern mit Maschendraht" besucht. Den meisten Hobbybastlern ist es gelungen, ein beachtliches Geschick zu entwickeln, was sich positiv auf die Qualität der Wagen auswirkt.

NRZ: Wie steht es mit Nachfragen aus anderen Städten?

Tilly: Die von unserem Team gestalteten Wagen mausern sich zum Export-Schlager. Für Krefeld haben wir den Prinzenwagen konstruiert, auch die Ratinger, Mönchengladbacher und Neusser Narren zählen zu unseren Kunden. Sogar für einen Berliner Umzug haben wir einen Wagen mit einem bombastischen Bären gebaut. Ein anderes Objekt ging nach Erfurt. Die Nachfrage wird immer größer. Nur die Kölner, die ursprünglich von uns einen Olympia-Wagen haben wollten, haben wegen der altbekannten Städtefreundschaft einen Rückzieher gemacht.

NRZ: Sehen auch Sie es als kritisch an, dass sogenannte Sponsorenwagen von Firmen am Rosenmontagszug teilnehmen?

Tilly: Nicht, wenn sich die Anzahl im Rahmen hält, was bei uns der Fall ist. Die Wagen sind meist aufwändig gestaltet, eine echte Augenweide - und spülen Geld in die Kassen. Außerdem achtet das CC streng darauf, dass es hauptsächlich Karnevals- und keine Werbewagen sind.

NRZ: Selbst wenn es zum Irak-Krieg kommen sollte, will das CC durchfeiern und den Zug keinesfalls absagen. Das quittieren viele nur mit Kopfschütteln. Was ist Ihre Einstellung?

Tilly: Das CC hat so entschieden, ich stehe dahinter. Auch für die zwölf Mottowagen wäre ein Krieg meiner Ansicht nach kein Tabu-Thema. Wir würden aber verantwortungsvoll damit umgehen. Es gibt Grenzen. Welche anderen Themen wir aufgreifen, darf ich nicht verraten. Aber wir haben noch keinen einzigen Mottowagen gebaut. Unser Team ist sehr flexibel, wir können binnen 24 Stunden eine komplette Karosse samt Motiv herstellen.

NRZ: Was halten Sie davon, dass die Mottowagen seit einigen Jahren bis Rosenmontag unter Verschluß gehalten werden? Tilly: Das erhöht den Aha-Effekt und erspart uns leidige Diskussionen.

NRZ: Aber würden die nicht gerade den Karneval spannend und modern machen? Tilly: Solch eine Ansicht ist nachvollziehbar. Vielleicht wird diese Regelung ja in einigen Jahren wieder rückgängig gemacht. Oder man kommt zu einem Kompromiss, daß ein Teil der Wagen vorab gezeigt wird.

NRZ: Was gefällt Ihnen persönlich am Karneval am besten, was weniger?

Tilly: Jecke Sitzungen mit ihren ritualisierten Abläufen finde ich eher langweilig. Ganz anders ist das beim Rosenmontagszug. Daß verkleidete Menschen durch die Stadt laufen und mit Kamelle um sich werfen, ist im Grunde völlig sinnlos. Viele Leute in Norddeutschland können das überhaupt nicht verstehen. Auf mich aber übt das eine wunderbare Faszination aus.

Zur Person: Der Bildhauer und Designer Jacques Tilly ist gebürtiger Düsseldorfer. Mit seiner Lebensgefährtin Ricarda und den Söhnen Camillo und Valentin (zwei und vier Jahre) wohnt er an der Ackerstraße. Außerhalb der fünften Jahreszeit ist der 39-Jährige für die von Ihm gegründete Künstlergruppe Sculpturepark tätig. Das Team gestaltet Plastiken für Filme, Messen Veranstaltungen und Firmen. Wer sich über Jacques Tillys Düsseldorfer Karnevalskreationen informieren will, kann dies im Internet unter: www.karnevalswagen.de