Pressespiegel1989 bis 2003Topmagazin, April 2002

Kunstwerke für den "Zoch"

Top-Magazin, April 2002

Hochsaison für Rosenmontags-Wagenbauer

Die Wagen, die Jacques Tilly für den Rosenmontagszug baut, sind ein Feuerwerk der Phantasie. Mit 15 selbst entworfenen und gebauten Wagen ist der Bildhauer aus Niederkassel Spitzenreiter unter den Wagenbauern.

Die großen Karnevalsvereine greifen gern auf den Designer zurück, um sich pfiffige Mottowagen kreieren zu lassen. So ist Tilly mit seinem Künstlerteam "Sculpture Park" das ganze Jahr über gut beschäftigt. Sie fertigen nämlich auch Skulpturen, Kulissen und Dekorationen für große Events, Messen, Bühne und Film. Da können auch schon mal die Köpfe rollen. Wie etwa bei der Eröffnung des neuen Schalke-Stadions "ArenaAufSchalke", als er die elf besten Spieler aus Schalkes langer Vereinsgeschichte als überdimensionale Großfiguren auf den Rasen schickte. Auch wenn seine Unikate Veranstaltungshallen, Discotheken und Messen in ganz Deutschland zieren, hat er für den Düsseldorfer Karneval, obwohl kein eingefleischter Jeck, eine Schwäche. Er provoziert gern und sucht Themen, die den Leuten unter den Nägeln brennen. Das Comitee Düsseldorfer Carneval wählt unter den eingereichten Vorschlägen aus und setzt sich für die besonders originellen Wagen ein.

Aktualität ist Trumpf, und so kommt es vor, daß noch zwei Tage vor dem Rosenmontagszug alte Themen neuen weichen müssen. "Wenn ich jetzt einen Wagen bauen müßte, würde ich mich mit dem Super-Minister Wolfgang Clement befassen", sagte Tilly im Oktober, weiß aber, dass zur Karnevalszeit bis dahin ganz andere Themen aktuell sind.

Maschendraht bevorzugt

Etwa seit 10 Jahren arbeitet Tilly mit Maschendraht. "Kein anderes Material kann so gebogen und gepresst werden, um die gewünschte Form anzunehmen", sagt er. Zunächst baut er ein Dachlattengerüst als groben Entwurf. Nach seiner Bauzeichnung bringt er anschließend auf dem Gerüst die Biegeleisten an. Fertig ist die Grundform seiner Plastik. Nun wird der Maschendraht hineingebastelt.

Das wegen der größeren Stabilität in Knochenleim getunkte Papier wird über das Gerüst gelegt, im Fachjargon heißt das "kaschieren". Der Haftputz aus Gips wird von der Hand nachgespachtelt und geglättet, um so die Feinheiten an den Figuren herauszuarbeiten. "Besonders bei Portraits sind die typischen Mimikfalten, die Form der Nase und des Kinns ausschlaggebend für den Erkennungswert", erklärt Tilly. Hierauf verwendet er viel Zeit, bevor zum Schluß kräftige Farben mit Spritzpistolen aufgetragen werden.

Die Objekte für den Rosenmontagszug haben zwar gigantische Ausmaße, wiegen aber wenig und sollten auch umweltfreundlich sein. Und wenn nach Aschermittwoch die großen Schredder sie zerlegen, nehmen die Künstler Abschied von ihren Unikaten. "Das ist wie beim Tischabräumen. Das Mahl war lecker, und weiter geht's", meint Tilly. Schon hat er neue Ideen im Kopf, die er zunächst zeichnerisch zu Papier bringt.

Auch in den Nachbarstädten ist der Künstler längst bekannt. So ist er regelmäßig Gast auf der Kölner Karnevalsmesse, wo er Workshops zum Thema Wagenbau anbietet. Und da lassen sich auch die Bayern gern von Tilly zeigen, wie der Rheinländer "drahtet".