Pressespiegel1989 bis 2003RB, 7.2.2001, keine Tabus

Wenn "dr Zoch kütt", darf es keine Tabus geben

Rheinbote, 7.2.2001, Fragen von Kerstin Halstenbach

RB-Interview mit Jacques Tilly (37), Wagenbauer aus Düsseldorf

RB: 2001 wird um die politischen Wagen beim Rosenmontagszug ein großes Geheimnis gemacht. Wie stehen Sie dazu?

Jacques Tilly: Ich finde es richtig. Letztes Jahr hat sich beispielsweise Marlies Smeets, die bei der Kommunalwahl in der Stichwahl unterlegen war, über das Thema "Smeets abgestochen" sehr aufgeregt und auf die Karnevalisten Druck ausgeübt. Wenn die Wagen vorher niemand sehen darf, kann sich keiner im Vorfeld einmischen.

RB: Aber Sie wollen den Leuten schon auf die Füße treten?

Jacques Tilly: Natürlich. Es darf beim Rosenmontagszug keine Tabus geben. Wer sich über meine Wagen aufregt, macht mir das schönste Kompliment.

RB: Wie kommen Sie an Ideen und Themen, die Sie als Motiv verwenden wollen?

Jacques Tilly: Ich achte sehr auf das, was in Düsseldorf geschieht, lese zum Beispiel aufmerksam Zeitungen. Mein Gehirn platzt vor Ideen. Man kann aber nicht alles umsetzen.

RB: Welche "Promis" können Sie gut karikieren, welche bereiten Ihnen Probleme?

Jacques Tilly: So ein dümmlicher Gesichtsausdruck wie der von Boris Becker ist ein Geschenk der Götter. Bei vielen noch relativ unbekannten Politikern wie Merz wird es schwierig, weil die meisten nicht markant sind. Den Kohl kann ich im Schlaf, den habe ich schon mindestens 16 Mal gebaut, Schröder bisher nur einmal. Aber er ist auch leicht.

RP: Wieviel Zeit brauchen Sie für den Rosenmontagszug?

Jacques Tilly: Ich stehe drei Monate lang von morgens bis abends in der Halle und baue Wagen. Meine Frau Ricarda sieht mich nur, weil sie die Wagen bemalt.

RB: Sie unterrichten als Dozent in Sachen Wagenbau. Was kann man beim Bau falsch machen?

Jacques Tilly: Der häufigste Fehler: Viele bauen die Wagen viel zu stabil. Man sollte keine schweren Materialien verwenden. Entscheidender sind Phantasie und Mut. Viele Karnevalsgesellschaften bauen ihre eigenen Wagen und sind da richtig kreativ. Die Kollegen haben meinen Respekt.

RP: Was werden Sie am Rosenmontag machen?

Jacques Tilly: Ich werde bis zur letzten möglichen Sekunde an unsere Wagen Hand anlegen und mir dann mit meinem Sohn Camillo - er ist zweieinhalb Jahre alt - den Zug anschauen.

Bildtext: Viele stolze Prinzenkarossen und Wagen mit frechen Motiven hat Jacques Tilly seit 1995 für die Rosenmontagszüge gebaut. Tilly wurde 1963 in Düsseldorf geboren. Er hat in Essen Kommunikationsdesign studiert und 1994 sein Studium abgeschlossen. Seine Fantasie, sein künstlerisches und handwerkliches Können sind auch außerhalb des Karnevals gefragt, zum Beispiel bei namhaften Messen. Wenn am Rosenmontag Tillys Wagenbau arbeiten beendet sind, geht es weiter mit den Vorbereitungen für die CeBIT in Hannover.