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Jacques Tilly - Großplastiken und Kunst

Produktions-Akadedmie News, Nr. 6, Mai 2012

Ein Interview

Jacques Tilly schafft Großplastiken für die Werbung und für den Karneval (siehe auch www.grossplastiken.de). Seine Gestaltungen der Wagen der Karnevalsgesellschaften am Niederrhein sind im In- und Ausland berühmt. Es geht auf Jacques Tillys Kunst zurück, dass die Wagen des Düsseldorfer Karnevalszuges als die Besten im deutschen Karneval gelten. Seine politischen Wagen sind unübertroffene Karikaturen (siehe Udo Achten: Jacques Tillys Narrenfreiheit, Klartext Verlag). Rein technisch gesehen hat er seinen eigenen Stil entwickelt: Die Figuren sind durch ein Innengerüst gestützte Maschendrahtkonstruktionen, die von außen kaschiert werden und für die unterschiedlichen Einsatzzwecke wetterfest oder auf Hochglanz poliert werden.

Dieses Wissen gibt Jacques Tilly in Workshops für den Großfigurenbau weiter. An einem Kurs im Juni 2011 war Peter Krause, Chefredakteur der PA!News, dabei und konnte dieses Interview mit Jacques Tilly führen.

Peter Krause:

Bereits während deines Studiums zum Kommunikationsdesigner hast du bei den Wagenbau-Künstlern für den Düsseldorfer Karneval gearbeitet. Du hast somit dein Hobby, den Skulpturenbau, zum Beruf gemacht und bist bis heute mit Haut und Haaren dabei. Gibt es auch noch andere Hobbies, die du pflegst?

Jacques Tilly:

Da im Düsseldorfer Karneval fast jeder der rund 80 Wagen jedes Jahr neu gestaltet wird, bleibt sehr wenig Zeit für andere Tätigkeiten. Es ist zu meinem Dauerzustand geworden, ständig Abgabeterminen hinterher zu hetzen. Reisen mit der Familie sind die einzige kleine Verschnaufpause, die ich mir gönne.

Peter Krause:

In deinem Team hast du eine Reihe von Mitarbeitern. Wie hast du die Arbeitsverteilung organisiert? Schaffst du die Figuren von der Idee bis zur Auslieferung?

Jacques Tilly:

Wer bei mir im Team ist, muss schon künstlerische Talente mitbringen. Und da hat jeder einen anderen Schwerpunkt. Der eine malt besser, andere wieder können am besten mit Styropor schnitzen. So muss sich für jedes Projekt das geeignete Team zusammenfinden. Das Zauberwort heißt hier Selbstorganisation. Wenn das gut klappt, brauche ich Dinge oft nur anzustoßen.

Peter Krause:

Deine politischen Wagen mit den Karikaturen der Großen dieser Welt sind für ihre Bissigkeit berühmt. Wie entstehen diese Ideen?

Jacques Tilly:

Mit den Ideen fange ich erst wenige Wochen vor Karneval an, damit die Wagen auch aktuell sind. Und dann muss ich in der Tat in wenigen Tagen Dutzende von hoffentlich zündenden Ideen ausbrüten, aus denen das Comitee Düsseldorfer Carneval dann auswählt. Das ist wirklich sehr harte Arbeit. Ich ziehe mich mit meinem iPod und Kopfhörer zurück und skizziere wie wild meine Assoziationen zu einem politischen Thema in mein Skizzenbuch. Dieses Material dient mir dann als Grundlage, um dann möglichst originelle und bissige Kombinationen zu finden.

Peter Krause:

In dem Buch von Udo Achten, Jacques Tillys Narrenfreiheit, kann man viele Entwürfe nicht gebauter Wagen betrachten. Kannst du uns ein Beispiel für die Abläufe im Hintergrund geben, die dazu führen, ob ein Wagen gebaut wird oder nicht?

Jacques Tilly:

Oft sind die Ideen meinen Auftraggebern nicht scharf genug. Die könnten dann ja auch in Köln fahren, wo man ja sowieso immer etwas zahmer ist. Dieses Jahr hatte ich kurz vor Rosenmontag einen Guttenberg-Wagen schon angefangen. Doch an Altweiber titelte "DIE ZEIT" mit einem fast identischen Motiv. Das war reiner Zufall, aber der Wagen konnte dann so nicht gebaut werden, sonst stünden wir ja als Plagiatoren da.

Peter Krause:

Auf deiner Website www.grossplastiken.de kann man viele Beispiele für Auftragsarbeiten für die Werbung sehen. Kannst du uns ein Beispiel geben für einen Auftrag, der dir besonders viel Freude gemacht hat?

Jacques Tilly:

Ein herausragendes Projekt war die Jahrhundertmannschaft, die ich für Schalke 04 gebaut hatte. Die 11 besten Spieler der Schalkegeschichte eierten als tragbare Großfiguren vor Spielbeginn über den Rasen, sehr zur Freude der Fans. Ein großes Medienecho gab es auch für das sieben Meter hohe Trojanische Pferd, das wir vor zwei Jahren für eine Anti-Atomkampagne im Auftrag von Greenpeace gebaut hatten.

Peter Krause:

Für mich sind deine Werke Kunst. Auch in dem Buch von Udo Achten wirst du als Wagenbau-Künstler bezeichnet. Wie siehst du dein Verhältnis zur Kunst?

Jacques Tilly:

Zur Kunst habe ich ein freundschaftlich-nachbarschaftliches Verhältnis, aber ich selbst sehe mich nicht als Künstler. Wirkliche Kunst muss völlig frei und autonom sein, ich hingegen arbeite immer weisungsgebunden, auf einen bestimmten Zweck hin, den das Objekt erfüllen muss.

Peter Krause:

Michael Schirner hat den Satz geprägt "Werbung ist Kunst!" Wie stehst du zu dieser Aussage?

Jacques Tilly:

Ich habe eine leichte Abneigung gegen eine immer stärker um sich greifende Begriffsverwischung in Sachen Kunst. Wer alles Mögliche zur Kunst und - wie weiland Beuys - jeden zum Künstler erklärt, trägt nicht zu tieferen Einsichten, sondern nur zur allgemeinen Verwirrung bei. Manch einer will sich mit derart dröhnender Rhetorik nur selbst die höheren Weihen der Hochkultur verleihen. Da spiele ich nicht mit.

Peter Krause:

Könntest du uns ein Beispiel für eine Werbekampagne/Werbemaßnahme nennen, die für dich Kunst ist?

Jacques Tilly:

Spontan fällt mir da nur die so genannte Schockwerbung von Benetton bzw. Olivierio Toscani aus den frühen 90er Jahren ein. Da wurden wirklich zum ersten Mal die Grenzen des Genres souverän hinweggesprengt. Viele andere Werbekampagnen sind zwar genial, überraschend, bereichernd und hochkreativ – aber sie bleiben Werbung. Sehr gute Werbung allerdings, und das ist doch schon viel.