Pressespiegel2009Rosenmontag 2009

In Düsseldorf wird zugespitzt

Kölner Stadtanzeiger, 24.2.2009, von Peter Berger

Der Rosenmontagszug in der Landeshauptstadt kommt auch 2009 wieder sehr politisch daher

Die Kanzlerin als kapitulierende Wölfin, die vom Volk ausgesaugt wird. Köln bleibt da vergleichsweise harmlos und leistet sich eine Bikini-Debatte.

Köln/Düsseldorf - Nein, eine solche Diskussion hätte es in Düsseldorf nie gegeben. Darf die gelittete Bundeskanzlerin nackt im Kölner Rosenmontagszug mitfahren? Auf keinen Fall, sagen die Kölner und haben der barbusigen Angela Merkel doch noch einen knappen Bikini in den Nationalfarben verpasst. Das kölsche Nippelgate. Für Kölns Zugleiter Christoph Kuckelkorn ist das eine Frage des guten Geschmacks: "Wir wollen keine Effekthascherei." Und deshalb wurden die Bundesadler, die die Brustwarzen der Kanzlerin bedeckten, in der vergangenen Woche schnell noch abmontiert und auf den Bikini geklebt.

lst das scharfe Persiflage oder gnadenlos populistisch?

Düsseldorfs Wagenbauer Jacques Tilly, für seine provokanten Themenwagen bekannt, kann über eine solche Debatte nur schmunzeln. Seine Merkel-Darstellung, die am Rosenmontag durch die Altstadt rollte, ist hemmungslos offen. Die Kanzlerin als kapitulierende Wölfin, die das Volk säugt - Abwrackprämie, Bankenhilfe, Konjunkturpaket. Scharfe Persiflage oder gnadenlos populistisch? Auch auf den anderen Mottowagen des Düsseldorfer Zugs werden die globale Finanzkrise und andere aktuelle Themen wesentlich bissiger auf Korn genommen, als das in Köln üblich ist. So reicht in einer Szene Papst Benedikt XVI. huldvoll lächelnd dem Holocaust-Leugner und Pius-Bruder Richard Williamson freundlich die Hand. Der umstrittene erzkonservative Erzbischof kommt als garstiger Teufel mit der unmissverständlichen Aufschrift "Antisemitismus" auf seinen Schwingen daher.

Man will ja nicht in die üble braune Ecke gesetzt werden - WAGENBAUER JACQUES TILLY

Nur manchmal schießt auch ein Jacques Tilly übers Ziel hinaus. Seinen Mottowagen zum viel diskutierten Bau der neuen Moschee im Kölner Stadtteil Ehrenfeld haben sich die Rechtsextremen der sogenannten Bürgerbewegung Pro Köln gleich zu Eigen gemacht.

Genau das hat Tilly natürlich nicht beabsichtigt, als er den Wagen bauen ließ, der einen Funktionär der Türkisch-Islamischen Union (Ditib) zeigt, der genüsslich über einen entsetzten Kölner Bürger rollt. Tilly wehrte sich Anfang der Woche gegen diese Art der Vereinnahmung durch die Rechtsextremen. Was er bei seiner Darstellung allerdings nicht bedacht hat: Der Begriff "Großmoschee" ist exakt dem Sprachgebrauch der Rechtsextremen entnommen. Und selbst die Tatsache, dass er einen Rechten von Pro Köln mit Glatze und Uniform erst nachträglich in den Wagen einfügte, der dann auch vom Ditib-Funktionär überrollt wird, macht die Angelegenheit kompliziert. Er habe dies getan, "damit man nicht in die üble braune Ecke gesetzt wird, wenn man kritisch zur Großmoschee steht", sagte Tilly in einem Interview, (mit dpa).

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