Pressespiegel2009RP, 17.2.2009, Universaldilettant

"Ich bin ein Universal-Dilettant"

Rheinische Post, 17.2.2009

INTERVIEW Jacques Tilly, der Wagenbauer für den Rosenmontagszug über die Themenauswahl, geheime Mottowagen, seine Ideen, die Narrenfreiheit und seine Beziehung zu Köln.

Herr Tilly, Sie feiern in diesem Jahr Jubiläum.

Tilly: Ja, zu meinem Erschrecken. Aber es ist kein närrisches.

Welches Highlight gab es für Sie in den vergangenen 25 Jahren?

Tilly: Viele, aber für Merkel im Hintern der USA gab es 2003 beim Rosenmontagszug Szenenapplaus, das hatte es für einen Wagen noch nicht gegeben. Das war ein Motiv, das den Leuten aus dem Herzen sprach.

Sie schauen sich den Zug jedes Jahr an, um Ihre Arbeit im Ganzen zu sehen. Haben Sie einen festen Platz?

Tilly: Am Hofgarten beim Steigenberger Hotel. Da ist der Hintergrund so schön dunkel und nicht so unruhig wie in der Altstadt.

Da stehen Sie relativ am Ende...

Tilly: ... ja, da sind die Wagen schon ramponiert. Doch fürs Fotografieren reicht es immer noch. Außerdem gibt es heutzutage Photoshop, und ich unterliege nicht dem journalistischen Ehrenkodex der Bildjournalisten. Ich darf verschönern.

Warum fotografieren Sie?

Tilly: Für mein Archiv. Die Wagen sind kurzlebig, bereits am nächsten Tag sind sie fratze.

Tut das nicht weh?

Tilly: Ich habe Kommunikationsdesign und nicht Kunst studiert. Ich wollte nie mit meinen Werken ins Museum. Ich bin ein Universaldilettant, ich mag leichte und vergängliche Kunst.

War es denn immer Ihr Ziel, Wagenbauer für den Rosenmontagszug zu werden?

Tilly: Ich habe keine festen Ziele, aber ich ergreife die Chance, die sich ergibt. Wagenbauer war 1984 ein Job, eine Möglichkeit, ohne Bafög zu studieren.

Und wie sah Ihr erster Karnevalswagen aus?

Tilly: Ich habe mich über Kohl lustig gemacht. Das war ein sehr aufwändiger Wagen. Der zweite zeigte die Birne Kohl, der sich Strauß mit einem Messer näherte. "Esst mehr Obst" stand auf dem Schild dahinter.

Wann bekommen Sie Ihre Ideen? Nachts, in der Badewanne, auf dem Klo?

Tilly: Manchmal schon unter der Dusche. Ich habe eine Liste mit Themen, und ich schreibe meine Gedanken ganz schnell auf.

Auch mit nassen Haaren?

Tilly: Das kann schon passieren. Später gibt es Entwürfe...

...die dann wieder verworfen werden?

Tilly: Das kommt drauf an. Wir haben weniger als ein Dutzend Motivwagen. Da muss jeder Schuss ins Schwarze treffen. Da darf kein Rohrkrepierer dabei sein.

Wie versuchen Sie, dieses Ziel zu erreichen?

Tilly: Mein Team und ich haben jetzt noch keinen der Motivwagen fertig. Auch jetzt ist es noch zu früh, sie abzuschließen. Einen Wagen halten wir bis zum Schluss offen.

Ex-Verkehrsminister Wittke ist aber doch sicherlich dabei?

Tilly: Über die Motive spreche ich nicht.

Aber Barack Obama wird doch sicherlich ein Thema sein?

Tilly: Traditionell war George W. Bush in den vergangenen Jahren dabei. Den gibt es dieses Jahr nicht.

Und Frau Merkel?

Tilly: Ein Zug ohne Kanzler ist wie ein Einhorn ohne Horn.

Ist OB Elbers schwierig zu bauen?

Tilly: Ich habe ihn schon öfter getroffen und mir sein Gesicht genau angeguckt. Er hat einige Alleinstellungsmerkmale.

Warum verraten Sie so gar nichts?

Tilly: Wir sind in Düsseldorf und nicht in Köln. Dort werden heute alle Wagen beim Richtfest präsentiert. Bei uns ist das geheime Kommandosache - und zwar, bis der Zoch fährt.

Und wer hat das Kommando?

Tilly: Ein Triumvirat mit CC-Geschäftsführer Jürgen Rieck, CC-Präsident Engelbert Oxenfort und Zugleiter Hermann Schmitz.

Die zeigen dann mit dem Daumen nach oben oder unten?

Tilly: So ungefähr. Aber im Ernst. Es ist paradiesisch, mit den Dreien zu arbeiten, weil wir uns eigentlich immer einig sind. Außerdem habe ich fast alle Möglichkeiten.

Also Narrenfreiheit?

Tilly: Ja, die Narrenfreiheit auszureizen, das macht uns Spaß. Das ist in Düsseldorf auch gewünscht.

Gibt es denn Vorgaben für die Motivwagen?

Tilly: Vier Meter hoch, sechs Meter lang.

Also ein Rechteck?

Tilly: Im Prinzip eine dreidimensionale Karikatur, die man in einer Sekunde verstehen muss.

Ganz schön schwierig.

Tilly: Und wir wollen unverwechselbar sein. Wenn ein Wagen so harmlos ist, dass er auch in Mainz oder Köln fahren könnte, ist er nichts für uns.

Gibt es weitere Kriterien?

Tilly: Das Thema muss dem Volk aus der Seele sprechen. Außerdem sollten nicht mehr als zwei Protagonisten vertreten sein.

Eine Düsseldorfer Spezialität?

Tilly: Ja, nicht zu vergessen, dass das Bild noch originell und lustig sein muss.

Und provozierend, wie beispielsweise Kardinal Meisner, der 2005 eine Hexe verbrannt hat?

Tilly: Meisner ist eine umstrittene, polarisierende Person, der kann es wirklich vertragen.

Sind Sie dem Kölner Kardinal schon einmal begegnet?

Tilly: Wir hatten nur indirekt Kontakt, über sein Büro.

Gab es schon mal Klagen?

Tilly: Es gab viele Androhungen, aber nie eine Klage. Die Anwälte haben ihren Mandaten das wohl immer ausgeredet. Aber warten wir mal den Rosenmontags-Zug ab.

Gibt es denn Grenzen für Sie?

Tilly: Ich lebe nach dem Motto "Anstand heißt zu wissen, wie weit man zu weit gehen darf".

Können Sie sich vorstellen, so weit zu gehen, für die Kölner zu bauen? Gibt es gar ein Angebot aus der verbotenen Stadt?

Tilly: Ein Wechsel nach Köln ist kein Thema. Das käme zu einer Gewebeabstoßung, die sich gewaschen hätte.

Das Gespräch führten Christian Herrendorf, Hans Onkelbach und Birgit Wanninger.

Bildtext:
Jacques Tilly arbeitet im Moment fast rund um die Uhr an den Wagen für den Düsseldorfer Rosenmontagszug. Die Motivwagen entstehen erst in den letzten Tagen, um möglichst aktuell zu sein. RP-Foto: Werner Gabriel