Pressespiegel2009Oberkassel Persönlich 2009

Auf der Suche nach dem typischen Oberkassel - der Stadtteil heute

Auszug aus dem Buch "Oberkassel persönlich - Geschichten aus dem Veedel" von Fritz Aurin und Dieter König. Sutton Verlag 2009.

...heiter die Kunst

Gibt es ihn überhaupt, den typischen Oberkasseler? Ist es ein Mensch wie Nikolaus Knopp, der vorausschauende Politiker? Joseph Beuys, der Schamane? Carl Klinkhammer, der streitbare Gottesmann? Oder gar Pitter Muggel, der liebenswerte Lebenskünstler? Doch sie sind ja schon längst von der Lebensbühne abgetreten, Oberkassel aber ist jung und lebendig.

Jacques Tilly zum Beispiel. Der Oberkasseler Handwerker, Wagenbauer und Künstler hat mit seinen Karnevalswagen die dreidimensionale Karikatur zur Kunstform erhoben. Der bekennende Atheist ist erfolgreich, humorvoll, bissig und renitent, ein Sicherheitsrisiko für alle Scheinheiligen und Spießer. In monatelanger Arbeit entstehen seine Wagen mit tatkräftiger Unterstützung vieler Helfer, allen voran seines Vaters Thomas. Seitdem er schlechte Erfahrung gemacht hat mit politischer und klerikaler Zensur, hält er seine Werke bis zur letzten Minute unter Verschluss. Tilly ist so gut, dass er befürchten muss, eines Tages von Kölner Kardinälen oder Karnevalisten gekidnappt zu werden.

Volker Pispers besticht mit seinem Mundwerk. Nach dem Studium führte sein Weg über das Kom(m)ödchen zum freien und gefragten Kabarettisten. Seinen Stil hat er in all den Jahren nicht verändert: Er ist der freundliche, scheinbar humorlos daherredende Conferencier, der urplötzlich zum Lästermaul wird. So schwadronierte er: "Es gibt Stadtteile, da wohnen mehr Kardiologen als Menschen mit Herz." Kann sein, dass ihm sein Bäcker am Belsenplatz demnächst keine Brötchen mehr verkauft.

Margot Schroeder dagegen ist eine Vertreterin des subtilen Humors. Auch nach vielen Jahren in Oberkassel kann die Fotografin und Schriftstellerin ihre Hamburger Herkunft nicht verleugnen. In ihrer poetischen Biografie schreibt sie: "1987 nach Düsseldorf gezogen, habe ich dort literarisch weitergelogen. Das mache ich bis heute." Sie schreibt Romane, Kinderbücher, Hörspiele und Gedichte, hat Dichterlesungen im "Sassafras" moderiert und war Dozentin an der Heinrich-Heine-Universität. Seit wenigen Monaten lebt sie in Essen.

Der weltberühmte Fotograf Andreas Gursky hat sein Atelier in einem ehemaligen Umspannwerk an der Hansaallee. Seine monumentalen Arbeiten sind bestechend scharf, durchkomponiert bis ins Detail und zeichnen sich durch formvollendete Inszenierung aus. Mit der Galeristin Julia Stoschek verbindet ihn die gemeinsame Liebe zur Kunst. Sie inszeniert Videokunst und wirkt, als hätte sie sich selbst inszeniert. Die Enkelin eines reichen Industriellen unterstützt Künstler mit Stipendien und Ausstellungen. 2007 ließ sie die denkmalgeschützte ehemalige Fabrik Conzen an der Schanzenstraße zu einem sensationellen Wohn- und Ausstellungsgebäude umbauen.

Bildtext:
"Beschwerden nehmen wir erst Aschermittwoch an." Nirgends ist der Karneval so frech und so geistreich wie in Düsseldorf. Dank Jacques Tilly, dem Wagenbaukünstler des Rosenmontagszuges.