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Dank Tilly ist unser Zoch der Beste

Rheinische Post, 6.2.2008, von Hans Onkelbach

Der Wagenbauer des Düsseldorfer Rosenmontagszuges ist ein Medienstar geworden. Allerdings kennen ihn nur die Insider, denn draußen zu sehen sind lediglich die Figuren, die er für den Zoch aus Pappe, Draht und Kleister zusammen baut. Auch seine diesjährigen Mottowagen gingen wieder bundesweit durch die Zeitungen und das Fernsehen.

Gestern Morgen, am Tag nach dem Zoch, ist Jacques Tilly wie immer zum Hauptbahnhof gefahren. Denn dort gibt's am Kiosk alle wichtigen deutschen Tageszeitungen zu kaufen. Daheim hat er in der RP schon die Fotos seiner Mottowagen gesehen, nun will er wissen, wie die anderen denn sein Entwürfe fanden.

Das Ergebnis, wie seit Jahren schon: In den meisten Zeitungen findet er Bilder seiner Wagen, bekommt wieder einmal den Beweis, dass seine dreidimensionalen Karikaturen den Nerv der Zeit treffen. Dieses Jahr war vor allem sein Geistesblitz zu Nokia der Renner: Das Messer mit dem Handy als Griff, das drei entsetzte Menschen von hinten durchbohrt, geht zusammen mit dem Spruch "Connecting people" buchstäblich durch Mark und Bein. Vermutlich könnten 1000 Worte die Gefühle der Menschen in Bochum nicht besser beschreiben.

Respekt kennt der Mann, der immer einen (oft farbbeklecksten) Overall trägt, offenbar nicht: Ob Kardinal Meisner oder Angela Merkel, Roland Koch oder Helmut Kohl, Joachim Erwin oder Marlies Smeets - vor Tilly sind sie alle gleich. Nämlich Objekte seines spitzen Humors. Mit Tilly jedenfalls bekommt der Begriff "Narrenfreiheit" eine völlig neue Bedeutung. Denn, man glaubt's kaum, er kann wirklich machen, was er will. Mit kleinen Einschränkungen allerdings: Ist dem CC-Gewaltigen Jürgen Rieck ein Entwurf zu zahm, dann verlangt er Nachbesserung (s. Interview unten). Aber nicht etwa, weil Rieck ein besonders scharfer Kritiker von wem auch immer ist, sondern aus kühlem Kalkül: Rieck, der gewiefte Kaufmann, weiß genau, dass nur dann das Medienecho groß ist, wenn Tilly das Ganze auf die Spitze treibt. So wie bei dem geköpften Roland Koch: der lief durch so viele Zeitungen und in so vielen TV-Nachrichtensendungen mit dem Hinweis auf den Düsseldorfer Karneval, dass der Werbewert in Euro schon nicht mehr bezahlbar wäre.

Entwürfe sind geheim

Bleiben wir beim Thema Einschränkungen: Weil es vor Jahren einmal Ärger um einen vorab veröffentlichten Entwurf für einen Mottowagen gab, geht man dem Streit heute clever aus dem Weg. Die Zeichnungen sind top-secret. Außer Tilly sehen sie nur drei Leute: CC-Präsident Engelbert Oxenfort, CC-Geschäftsführer Jürgen Rieck und Zugleiter Hermann Schmitz.

Dieses Quartett wählt aus 20 oder 30 Vorschlägen zehn Stück aus - und schweigt eisern. Erst am Morgen des Rosenmontags sieht der Rest der Welt dann die fertigen Wagen. Die Tilly übrigens notfalls über Nacht baut.

Bis zum Start verhüllt blieb voriges Jahr ein Wagen, der die Rechtsradikalen aufs Korn nahm: Aus dem Hintern Adolf Hitlers quoll eine braune Wurst mit Namen NPD. Man wollte vermeiden, dass Radikale den Wagen demolierten. Er rollte dann unbehelligt im Zug mit. Einmal griff Joachim Erwin (ungeplant) höchstselbst ein: 2006 zeigte Tilly zum Thema "Wirksame Terrorbekämpfung" Georg W. Bush, der sich mit einem Revolver im Mund selbst richtete. Das war dem OB angesichts der deutsch-amerikanischen Freundschaft zu heiß. Der Wagen blieb im Depot, und seit dem kommt dort keiner mehr rein.

Trotzdem: Tilly agiert weitgehend allein, anders als in Köln wird nicht von Dutzenden von Leuten über die Mottowagen debattiert. Denn nur so, das weiß der excellente Handwerker sehr genau, kann er dies frechen Gebilde erdenken und umsetzen. Abwerbeversuche der Kölner hat er daher auch stets abgewiesen - nicht zuletzt mit dem Hinweis auf die vielen Einschränkungen, die im Schatten des Domes für ihn gelten würden.

Ob er denn nie Angst habe, wenn er z.B. islamistische Terroristen lächerlich mache? Tilly nimmt das Thema ernst, will aber nicht kneifen. Sein Grundsatz: "Wenn ich die katholische Kirche auf die Schippe nehme, dann muss sich das auch der Islam gefallen lassen!"

Dort sieht man das jedoch anders: Mindestens einmal hat der Zentralrat der Muslime schon protestiert.

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Sonst hat er den Pinsel in der Hand: Jacques Tilly. RP-Foto: A. Bretz

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Das sind nur vier der deutschen Tageszeitungen, die gestern Fotos der Düsseldorfer Mottowagen von Jacques Tilly druckten. Vor allem der kopflose Roland Koch, aber auch Nokia und der bissige Barak Obama wurden gern genommen. Foto-Montage: Andreas Krebs