Pressespiegel2007Rosenmontag 2007

Das Teufelchen im Tilly

Westdeutsche Zeitung, 20.2.2007, von Dieter Sieckmeyer

DER MEISTER: Von der Leiter aus fotografiert Jacques Tilly seinen Zoch. Und freut sich auf die Stille.

Einen Wagen, der erst unmittelbar vor dem Start des Rosenmontagszuges enthüllt wurde, gab es noch nie. Darunter verbarg sich Adolf Hitier, der als "Nachgeburt" einen Riesenhaufen NPD ausscheidet. "Wir wollten einfach verhindern, dass es zu Störungen des Rosenmontagszuges kommt und hier möglicherweise Neonazis aufmarschieren", sagt Künstler Jacques Tilly.

Der Meister selbst hat seit sechs Jahren seinen Stammplatz. Gegenüber des Steigenberger Parkhotels stellt er - als Teufelchen ausstaffiert - eine Leiter auf und fotografiert von da aus "seinen" Zoch. Als der Hitler-Wagen vorbeifährt, sieht man ein schelmisches Lächeln auf seinem Gesicht: "Ich finde das sehr mutig, dass so ein Wagen mitfahren kann. Ich finde, dass man auch im Rosenmontagszug ein deutliches Zeichen gegen Rechts setzen muss. Ich bewundere die Leute in Ostdeutschland, die sich dort gegen Rechtsradikale und Ausländerfeindlichkeit einsetzen."

"Wenn es gut läuft, wird sich jemand nach dem Umzug bei Tilly beschweren. Wenn es sehr gut läuft, wird er Tilly eine Klage androhen."
Der Spiegel in seiner neuen Ausgabe über den künstlerischen Wagenbauer Jacques Tilly.

"Der ist mir erst vor fünf Tagen eingefallen", freut sich Tilly, als der Wägen mit "Vogel" Gudrun Hock, die "Regenwurm" Günter Wurm beim Rennen um den Fraktionsvorsitz vernascht, kommt. Bei den Mottowagen habe er wenig Raum für lokale Themen, weil die Fernsehzuschauer alles verstehen sollten.

Darum wurde auch ein Stoiber-Wagen mit der streitbaren Landrätin Pauli nicht gebaut. Tilly: "Das Carnevals Comitee war der Meinung, die ist nicht bekannt genug." So rollt Edmund Stoiber als erlegtes Wild seiner Parteifreunde von der CSU mit.

Aber der Mann ist auch Künstler. Darum leuchten seine Augen, als der Wagen des Prinzenpaares vorbeifährt: "Die Pferde vorn sind einfach schön. Die werden auch nicht eingestampft wie fast alle anderen Figuren, sondern kommen mit zur Karnevalsmesse nach Köln." Wie übriges auch der politische Elefantenfriedhof der großen Koalition.

Als alle Wagen vorbei sind, baut Tilly seine Leiter ab und macht sich auf in Richtung Wagenbauhalle: "Da sitzen wir abends immer noch mit den Künstlern zusammen und machen eine Flasche auf. Dabei genießen wir nach all den Monaten die Stille." Ganz ohne Helau.

Bildtext:
Als Teufelchen geht Jacques Tilly seit sechs Jahren mit seinem Fotoapparat auf die Jagd nach den schönsten Bildern seiner Wagen. Foto: Bernd Schaller