Pressespiegel2007NRZ, 14.2.2007

Viel Süßes, viel Saures

Neue Rhein Zeitung, 14.2.2007, von Rüdiger Hoff

KARNEVAL. Jacques Tilly verspricht Mottowagen mit Zündstoff. Vereine orderten 25 Prozent mehr "Wurfmaterial".

So unterschiedlich ist das Sessions-Motto "Närrische Illusionen" zu interpretieren: Viel Süßes ist dabei, aber auch jede Menge Saures. Die einen wollen das jecke Volk beim "Zoch" mit einem Rekordwert an wohlschmeckendem Wurfmaterial erfreuen. Ein anderer setzt auf beißenden Spott, um der Obrigkeit den Spiegel vorzuhalten. Während die Vereine für den Rosenmontagszug so viele Schokoriegel und Co. wie seit zehn Jahren nicht mehr bestellt haben, will Jacques Tilly wieder "Zündstoff für heiße Diskussionen liefern". Bislang sind es neun politische Mottwagen, die er am Montag ins närrische Rennen schickt. "Einige Motive werden heftig anecken. Aber Karneval ist nun mal eine Zeit der Regellosigkeit. Und eine drastische Darstellung ist machmal am entlarvendsten", sagt der Chef-Designer der Jecken-Vehikel und kündigt eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr an.

Streng geheime Verschlusssache

Schon da inszenierte Tilly den frechsten Umzug der Republik, traute sich als einziger den Karikaturenstreit aufzugreifen und präsentierte den iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad als gezündete Atomrakete. Das brachte Düsseldorfs Karneval einmal mehr auf die Titelseiten der überregionalen Tageszeitungen. Allerdings: Nach Protesten aus dem Rathaus wurde der Wagen mit einem Selbstmordszenario von George W. Bush im Vorfeld aus dem Verkehr gezogen. "Diesmal gibt es kein Veto", betont Tilly. Für die Mottowagen gilt wieder die Devise: streng geheime Verschlusssache bis Rosenmontag! Von wegen kritisch: Manche Karnevalisten munkelten hinter vorgehaltener Hand: "Die Narren haben den Tilly weich geklopft." Zum einen ließ sich der Chef-Designer, eigentlich das Gegenteil eines Vereinsmeiers, von der Rheinischen Garde Blau-Weiß zum Senator küren. Zum anderen war er gleich auf mehreren Sitzungen des organisierten Frohsinns zu sehen. "Ich will engere Kontakte zu den Vereinen knüpfen, damit wir auf deren Wagen noch bessere Inhalte, sprich stärkere Botschaften vermitteln können", sagt der 43-Jährige. Beispiele dafür sind im aktuellen "Zoch" das Vehikel der Rheinischen Garde, das den "Friede zwischen den Religionen" thematisiert, und das der Radschläger. Die zeigen Narren, die sich zoffen, und präsentieren selbstironisch "Karneval mit Humor" als ihre närrische Illusion.

Beliebtes und "olle Kamelle"

Keine Illusion: Die Jecken zeigen sich großzügig. Für den "Zoch" haben die etwa 60 Vereine über 25 Prozent mehr "Wurfmaterial" als im Vorjahr geordet, nämlich rund 50 Tonnen. Das entspricht dem Gewicht von elf ausgewachsenen Elefanten. Schokoriegel, Speckrollen, Goldbären und Lakritzschnecken sind besonders begehrt. Traditionelle Bonbons oder Popcorn gelten dagegen als "olle Kamelle".

MÖHNETAG

Die heiße Phase der fünften Jahreszeit startet morgen mit der Altweiberfastnacht. Auftakt ist traditionell um 11.11 Uhr der Sturm auf das Rathaus. Auf dem Vorplatz gibt's ein Musikprogramm, unter anderem mit Alt-Schuss, Swinging Fanfares und den Düssel-Disharmonikern. Das Bühnenprogramm am Carlsplatz beginnt um 11.30 Uhr.

Bildtexte

Auch um das "Wurfmaterial" zu transportieren, gab's 25 Sprinter von Daimler für das Prinzenpaar. (Foto: Reimann)

Die Streitenden und ein streitbarer Humorist: Jacques Tilly. (Foto: Kai Kitschenberg)