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Deutschlands frechster Umzug

Neue Rhein Zeitung, 28.2.06, von Rüdiger Hoff (Text), Kai Kitschenberg (Fotos)

KARNEVAL / Nur Tilly traute sich, den Karikaturenstreit zu thematisieren. Neues Motto: Düsseldorfs närrische Illusionen.

Jürgen Rieck findet sonst gerne mal ein Haar in der Suppe. Außerdem war die heikelste Nummer in letzter Minute aus dem Rosenmontagszug gekippt worden. "Dennoch haben wir eine runde Sache abgeliefert, sind unseren politisch-kritischen Ansprüchen vollauf gerecht geworden", resümiert der Geschäftsführer des Comitee Düsseldorfer Carneval (CC) zufrieden. Die von Jacques Tillys Künstlerteam gestalteten Vehikel zierten einmal mehr die Titelseiten vieler überregionaler Zeitungen und waren in fast allen Fernsehsendern zu bestaunen. Folglich freuen sich die Verantwortlichen wieder den "frechsten Zug der Republik" inszeniert zu haben.

So trauten sich die Narren der Landeshauptstadt als einzige, den Karikaturenstreit zu thematisieren. "Wir wussten, was für einen Schaden man anrichten kann. Deshalb haben wir es uns nicht leicht gemacht und letztlich die richtigen Entscheidungen getroffen. Das zeigt auch die allgemein positive Resonanz", findet Rieck. So rollten ein durchgestochener Sarg, in der die Meinungsfreiheit beerdigt ist, und Irans Präsident Machmud Achmadinedschad als gezündete Atombombe durch die Altstadt.

Bei George W. Bush war hingegen Schluss mit lustig. Ursprünglich sollte der US-Präsident in einem Selbstmord-Szenario mit dem Titel "Ein Beitrag zum Weltfrieden" zu sehen sein. Dies war augenscheinlich bis ins Rathaus vorgedrungen und dort auf wenig Gegenliebe gestoßen. Letztlich ließ man das "zu heiße Eisen" fallen, schwenkte um und machte George W. wie berichtet zum Affen. "Da haben wir uns überhaupt nicht reinreden lassen. Welche Wagen wir präsentieren, ist und bleibt allein unsere Entscheidung", schwört Präsident Peter König.

Zuschuss von der Stadt

Erstmals thematisierte sich das CC beim Umzug selbst. Ein notdürftig zusammengezimmerter Bretterwagen trug die Aufschrift "Baustopp wegen Geldmangels". "Das war der optische Wink mit dem Zaunpfahl, um zu zeigen: Finanziell stoßen wir längst an unsere Grenzen. Wegen der Kostenexplosion ist es fraglich, ob wir künftig noch einen Zug in der jetzigen Dimension bieten können", mahnt Rieck.

Um Vorbildfunktion zu demonstrieren, hatte das CC diesmal auf den Bau eines eigenen Wagens verzichtet. "Die Vorstandsmitglieder sind bei ihren Vereinen mitgefahren. So haben wir etwa 17 000 Euro gespart", rechnet König vor.

Für die Zukunft hofft er darauf, "dass sich noch viel mehr Düsseldorfer, vor allem aus der Wirtschaft für unseren Karneval engagieren und wir einen Zuschuss von der Stadt bekommen, was anderenorts längst üblich ist." Auf solche Wünsche zielt auch Motto für die kommende fünfte Jahreszeit, das bereits gestern bekannt gegeben wurde: "Düsseldorfs närrische Illusionen".

Für die aktuelle Session, die heute mit der Hoppeditzbeerdigung endet, fand der Präsident ein positives Fazit: "Es gab kaum Zwist, die Stimmung war bei den meisten Veranstaltungen ausgezeichnet, das Prinzenpaar hat eine ausnehmend gute Figur abgegeben, und die Fernsehsitzung war wesentlich besser als im Vorjahr."