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"Es wird sehr scharf und böse"

Aachener Zeitung, 3.2.2005, von Rudolf Alexander

Jacques Tilly baut Karnevalswagen mit frechen politischen Motiven für den Rosenmontagsumzug in Düsseldorf. Dafür erntet er viel Jubel, aber auch Proteste. Top-aktuell schraubt er bis kurz vor dem Start.

Düsseldorf. Jacques Tilly ist derzeit im Dauerstress. Wenige Tage vor dem Rosenmontagszug in der närrischen Hochburg Düsseldorf bastelt der "Immendorff" unter den Wagenbauern mit Hochdruck an den etwa zehn Wagen mit politischen Motiven zum Welt- und innenpolitischen Geschehen. Der närrische Lindwurm in der Landeshauptstadt gilt seit Jahren als der mit den frechsten und anstößigsten Darstellungen. Und das ist vor allem Tilly zu verdanken, der seit gut 20 Jahren untrennbar mit dem Düsseldorfer Rosenmontagszug verbunden ist.

In der riesigen Wagenbauhalle im Düsseldorfer Süden entstehen aus Dachlatten, Biegeleisten, Maschendraht, Pappmaché und einer Schicht in Leim getunktem Papier die karnevalistischen Kunstwerke. Sie stehen für Provokation und Fantasie. Ob es CSU-Chef Edmund Stoiber war, der 2002 Angela Merkel im Kampf um die Kanzlerkandidatur der Union "erlegte" oder ob US-Präsident George W. Bush 2003 wenige Tage vor Beginn des Irakkrieges unter dem damaligen Narrenmotto "Leben und leben lassen" mit Saddam Hussein im Bett lag - es gab Jubel am Straßenrand, aber auch böse Briefe für den Künstler.

Der erinnert sich noch heute besonders gern an den Kruzifix-Skandal aus dem Jahr 1996. "Es ging damals um das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, ob nun in den bayrischen Schulen die Kruzifixe abgenommen werden müssen oder nicht", sagt Tilly schmunzelnd. "Wir haben dann drei Narren ans Kreuz gehängt und 'Karneval in Bayern' auf den Wagen geschrieben." Der Wagen musste aufgrund von Protesten der katholischen Kirche und der CSU zurückgezogen werden und durfte nicht durch die Straßen ziehen. Seitdem sind die politischen Wagen geheim.

"Bis der Zug loszieht, hat niemand die Wagen gesehen, uns kann also keiner mehr mit einer einstweiligen Verfügung stoppen. Die gibt es nicht rückwirkend und nach Rosenmontag werden die ja ohnehin wieder eingestampft", erklärt der Wagenbauer. Top-Secret sind dann auch die Themen für die politischen Wagen des diesjährigen Zuges. "Es wird schon wieder sehr scharf und böse werden", verrät der Künstler, ohne Einzelheiten preiszugeben. Er lobt ausdrücklich die organisierten Jecken in der Stadt, die ihm erlauben würden, auch Themen aufzugreifen, "die normalerweise nicht so karnevalskompatibel sind, wie etwa Religion oder auch Krieg oder Ähnliches".

Während der 42-Jährige die ersten Entwürfe für die Prunkwagen der vielen Düsseldorfer Karnevalsgesellschaften schon im Sommer fertiggestellt hat, bastelt, schraubt und malt er an den politischen Wagen bis wenige Stunden vor dem Start des Rosenmontagszuges am Montag, um möglichst aktuell zu sein. "Sollte es in den nächsten Tagen noch ein Top-Ereignis geben, dann wird sich das ganz sicher auch als Wagen im Umzug wiederfinden, dazu fühlen wir uns verpflichtet", erklärt der Wagenbauer, der inzwischen das ganze Jahr über auch für Parteien, Vereine und Messen seine künstlerischen Skulpturen fertigt. (dpa)

Bildunterschrift: Im Karneval geht (fast) alles: Jacques Tilly (rechts) mit einem viel sagenden Motivwagen aus der Session 2004.