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Moshammer ist tabu

Neue Rhein Zeitung, 19.1.2005, RÜDIGER HOFF (Text), KAI KITSCHENBERG (Fotos)

KARNEVAL / Die Mottowagen sollen frech und bissig sein, aber "in keinem Fall Opfer verspotten", stellt Jacques Tilly klar.

Er zeigte Kanzler Gerhard Schröder im Adamskostüm, präsentierte Angela Merkel im Allerwertesten von Uncle Sam, nagelte bayerische Juristen symbolisch ans Kruzifix. Doch jetzt heißt es bei Jacques Tilly: Stopp! Der Chefdesigner zog Teile eines Motivwagens für den "Zoch" aus dem Verkehr. Darauf zu sehen: Der in der Nacht zu Freitag ermordete Münchener Modemacher Rudolph Moshammer, verulkt als Blondine, samt Hund Daisy. "Der Wagen war längst fertig gebaut, da hat uns die Realität eingeholt. Szenen, in denen Opfer verspottet werden, zeigen wir nicht", betont Tilly. So ist für die Jecken auch die Flutkatastrophe in Südasien tabu.

Aha-Effekt an Rosenmontag

Dennoch wollen die Düsseldorfer Narren wieder den frechsten Rosenmontagszug der Republik präsentieren, mit politischen Mottowagen, die für reichlich Diskussionsstoff sorgen sollen. Darin wird Tilly von der zuweilen als konservativ geltenden Chefetage des Comitees Düsseldorfer Carneval (CC) bestärkt. "Manche meiner Entwürfe wurden als zu 'lasch' abgelehnt. Gerade Geschäftsführer Jürgen Rieck verlangt von mir Biss. Denn wir wollen einen modernen Karneval anbieten", sagt Tilly. Drei von wahrscheinlich acht Mottowagen hat er bereits gefertigt. Diese bleiben wieder bis zuletzt strengstens unter Verschluss. "Das hat sich bewährt, umso größer ist der Aha-Effekt an Rosenmontag", meint der 41-Jährige, der auch aktuell reagieren und binnen 24 Stunden einen Mottowagen kreieren kann. Das unterscheidet die Düsseldorfer von der Kölner Konkurrenz, die ihre Vehikel bereits im Herbst konzipiert hat und nicht in der Lage ist, so flexibel zu reagieren.

Weil die Session eine kurze ist, haben auch Tilly und sein vierköpfiges Team in der Halle an der Merowinger Straße schon vor einigen Monaten begonnen, die ersten Wagen zu bauen. Für eine aufwendig gestaltete Konstruktion wie beim Wagen fürs Prinzenpaar, der einen farbenfrohen Pfau darstellt, sind bis zu drei Wochen Arbeit nötig. Bei den Mottowagen ist es unterschiedlich. Pappmaché-Köpfe von Otto Schily und Joschka Fischer gehen Tilly fast so leicht von der Hand wie das Konterfei von Angela Merkel: "Bei ihr gilt: Topfschnittfrisur, müde Augen und Hundeblick - fertig", erzählt Tilly, wogegen ihn der "Nachbau" von Jürgen Rüttgers und Manfred Stolpe schier zur Verzweiflung brachte.

KÜNSTLERGRUPPE SCULPTURE PARK

Der Designer und Bildhauer Jacques Tilly ist gebürtiger Düsseldorfer. Außerhalb der fünften Jahreszeit ist der 41-Jährige für die von ihm gegründete Künstlergruppe Sculpture Park tätig. Das Team gestaltet Plastiken für Filme, Messen, Veranstaltungen und Firmen. Außerdem bietet Tilly Wagenbaukurse für jedermann an. Informationen: www.grossplastiken.de