PlastikenGroßplastikenDemokratie-Wagen in Polen 2018Mehr Bilder

Rede von Jacques Tilly auf dem Marktplatz von Krakau am 11.3.2018

Hallo Polen, ich bringe Grüße aus Deutschland.

Doch im Grunde müsste ich mich genauer ausdrücken und sagen:
Hallo, demokratisches und weltoffenes Polen.
Denn auch in Deutschland wird aufmerksam verfolgt, dass es im Grunde zwei Polen gibt: Den demokratischen, europafreundlichen Teil der Gesellschaft einerseits. Und andererseits den rechtskonservativen Teil der polnischen Gesellschaft. Polen ist gespalten in ein liberales und antiliberales Lager.

Und die Mehrheit der Deutschen und auch die deutsche Politik sind beunruhigt über das, was in Polen seit der Herrschaft der PiS-Partei passiert.
Aufmerksam wird verfolgt, dass die Regierung dabei ist, den demokratischen Rechtsstaat und damit die Freiheit zu demontieren.

Jaroslaw Kaczynski wird oft einem Atemzug genannt mit Erdogan.
Denn sowohl in Polen als auch in der Türkei ist die Regierung dabei,
- die Gewaltenteilung abzuschaffen,
- die Freiheit der Medien abzuschaffen,
- und die Demonstrationsrechte abzuschaffen.

Noch ist Polen keine Diktatur wie die Lukaschenkos in Weißrussland, aber Polen ist auf dem Weg dahin. Es entwickelt sich in Richtung einer Theokratie, in der die wichtigsten politischen Entscheider unter dem Einfluss radikaler katholischer Fundamentalisten stehen.

Die Lage ist wirklich dramatisch.

Doch genauso verfolgen wir in Deutschland, dass sich das demokratische, das weltoffene, das tolerante Polen nicht alles bieten lässt.
Die Regierung spürt, dass Widerstand geleistet wird. Sie spürt, dass die Demokratie, die Freiheit, die demokratischen Werte von der Hälfte der Polen hochgehalten und verteidigt werden.

Und diesen Kampf um ein freies, demokratisches, pluralistisches und säkulares Polen versuche ich seit Jahren mit meinen Großplastiken zu unterstützen. Nicht zuletzt auch deswegen, weil ich viele Polen in meinem Künstlerteam beschäftige. Und die freuen sich sehr, ihrer ungeliebten Regierung regelmäßig eins auszuwischen.

Seit 2016 fahren im Düsseldorfer Karneval Wagen, die die polnische Regierung kritisieren und lächerlich machen. Zwei Wagen stehen ja hier.
Und für diese Wagen bin ich von rechten Polen immer wieder beschimpft worden. Ich sei ein Jude, ein Kommunist und ein Feind Polens. Gerade als Deutscher, so stand es vielfach in den Mails und Briefen an mich, solle ich mich schämen, Polen lächerlich zu machen. Und ich solle es nicht wagen, jemals heilige polnische Erde zu betreten.

Aber diese Menschen irren sich. Meine Wagen sind nicht polenfeindlich.
Polen ist ein wunderbares Land, mit einer langen und fantastischen Tradition des Freiheitskampfes. Nein, meine Wagen sind nicht polenfeindlich, sie sind einfach nur Kaczynskifeindlich.

Denn das muss Kaczynski einsehen: Kaczynski ist eben NICHT Polen, auch wenn er sich selbst mit Polen gleichsetzt. So etwas tun nur selbstherrliche Despoten. Auch Kaczynski und seine Clique müssen begreifen, dass Kritik kein Verrat, kein krimineller Akt, keine Schurkerei ist. Sondern Kritik ist ein legitimes und unverzichtbares Instrument einer gesunden demokratischen Streitkultur. Und ich will auch weiterhin, in den nächsten Jahren, alles tun, um das liberale Polen zu stärken und zu unterstützen.

Der Weg zurück zum Nationalismus, zur Abgrenzung und zu neuen Mauern und Grenzen ist definitiv der falsche Weg. Dieser Weg führt immer zur Trennung der Menschen, zu Hass und letztendlich zum Krieg.
Gerade wir Deutsche haben diesen Weg ja oft genug beschritten, und haben furchtbares Leid über Polen, Europa und die Welt gebracht.

Darum lässt mich nicht kalt, was in unserem Nachbarland Polen passiert.
So sollte es auch sein, denn in einem solidarischen Europa sollten wir uns füreinander interessieren. Wir sollten nicht wegschauen, wenn sich Fehlentwicklungen abzeichnen.

Ich bin sehr stolz und dankbar, dass meine Wagen durch Polens Straßen fahren und Wirkung zeigen. Das ist die gelebte europäische Idee.

Vielen Dank und weiter so.