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Geld, Gags und Gemeinheiten

Neue Rhein Zeitung, 12.2.2013, von Jörg Bartel

Vom Glanz und Elend der politischen Motivwagen bei den gestrigen Rosenmontagszügen

An Rhein und Ruhr. Dass politische Motivwagen Kraft-Akte sind, das bewies zuvörderst die Ministerpräsidentin hoch auf dem jecken Wagen beim Mülheimer Rosenmontagszug. Man braucht dazu Zeit (die sich viele Jecken an Rhein und Ruhr jedes Jahr nehmen), Geld (das sich leider nirgends wundersam vermehrt hat) und Ideen (die origineller sein sollten als die der Kölner, die Bundeskanzlerin zum x-ten Mal nackig vorzuführen). Außerdem braucht man Anlässe, von denen es in dieser Saison zwischen Manhattan und Moers, EU-Krise und Steinbrücks Nebenaus- und -einkünften überreichlich gab. Mut braucht es dazu nicht. Schließlich ist dies ein freies Narrenland. Nicht nur an Rosenmontagen.

Wer diesmal das Wagen-Rennen machte? In puncto Aktualität, Witz und Vielfalt waren einmal mehr Jacques Tilly und sein Düsseldorfer Team schwer zu schlagen: Da sabberte ein wahrer Hundskerl von Brüderle eine fiffige Stern-Dame an,

   „Bei den Sozis der verliert, wer allzu viel hat abkassiert"
   Narrenmund wie er singt und lacht

da verlor Herr Wowereit seinen Kopf im Kampf um einen Fluch-Hafen, hieß es unter einem Talar „verschweigen und vertuschen", und da kriegte, „Och dat noch", unsere Kanzlerin von einem Griechen für all ihre Großzügigkeit ein Hitler-Bärtchen angemalt. Gemein!

Diese Undankbarkeit hat sie genauso wenig verdient wie jene Kölner Wagenbauer, die es witzig fanden, die Bundeskanzlerin als Muttersau darzustellen, an deren nackten Zitzen die notorischen Finanz-Ferkel Griechenland, Portugal und Spanien saugen. Naja. Da loben wir uns doch die Tilly-Truppe, die es sogar noch schaffte, gewisse „Leihstimmen-Schmarotzer", OB Elbers' Feuerwehr-Gefackel, den Rücken-Tritt von Frau „Dr. ade" Schavan und einen fetten Findling mit Steinbrückzügen fertig zu basteln. Der fliegt übrigens einem erstaunlich optimistischen Sozialdemokraten schwer ins Kreuz. Und der Papst-Rücktritt? Der kam selbst für Turbo-Tilly zu überraschend.

Die Mainzer nahmen, wie die Kölner, neben Peer Steinbrück („Bei den Sozis der verliert, wer allzu viel hat abkassiert") auch die örtliche Wohnungsnot aufs Doppelkorn. Sie punkteten mit eher ab- als angesoffenen Piraten und einem viel zu schlanken Altmaier, der mit den Strippen einer Windkraftanlage kämpfte wie vor ihm nur Don Quijote gegen Windmühlenflügel. Ihr Versuch aber, auf einem Motivwagen Leitartikel zu spielen, ging beim Thema „China pumpt den USA was" buchstäblich in die Hose.

Die kleinen, aber bestens besuchten Züge in der Region kehrten lieber vor der eigenen Tür und setzten mehr auf Konfetti und Kamelle als auf Kritik. Immerhin leisteten sich die Essener Jecken neben den dominierenden und deutlich gesponserten Gesellschaftswagen einen rollenden Kommentar zur kommunalen Haushaltslage: „Essen iss feddich!"

Bildtext:
Das hat sie nicht verdient, oder? In Düsseldorf bekam die Kanzlerin von einem Papp-Griechen ein Hitlerbärtchen angemalt. Immerhin bekleidet.  FOTO: STEFAN AREND