Pressespiegel2012Kölner Wulff-Schelte

Wer hat den besseren Wulff?

Frankfurter Rundschau, 4./5.2.2012, von Peter Berger

Der Wettstreit in den rheinischen Karnevals-Hochburgen gewinnt neue Schärfe. Die Kölner präsentieren den Bundespräsidenten in einem Wagen-Entwurf als Opfer. Den Düsseldorfer Narren ist das zu harmlos.

KÖLN. Darauf muss man erst mal kommen. Dass Bundespräsident Christian Wulff im Kölner Rosenmontagszug eine Rolle spielen dürfte, war nie die Frage. Doch als das altehrwürdige Festkomitee des Kölner Karnevals die Entwürfe für die Wagen zeigte, war sofort klar: Das nächste Kapitel im endlosen Wettstreit der rheinischen Karnevals-Hochburgen Düsseldorf und Köln um den besten Zug ist aufgeschlagen.

So richtig provokant war er noch nie, der Kölner Zug. Er steht immer unter der Vorgabe: Der Kölner Karneval soll Freude machen, nicht wehtun. Doch was Kölns Zugleiter Christoph Kuckelkorn als Entwurf in Sachen Wulff präsentiert, ist eine Steilvorlage für den Düsseldorfer Zuggestalter Jacques Tilly, der in Köln gern als "Extrem-Wagenbauer" bezeichnet wird.

Der Bundespräsident liegt als Etappenhase auf der Schlachtbank eines brutalen Metzgers und wartet auf sein Ende. Im Hintergrund rauft sich Köchin Angela Merkel die Haare. Soll wohl bedeuten: Christian Wulff als Opfer der Medien. Der Kölner Entwurf spart nicht an Bezügen: Als Etappenhase bezeichneten Frontsoldaten im Krieg Einheiten, die im Hinterland mit der Verwaltung des Soldatennachschubs beschäftigt waren, ohne selbst Gefahren ausgesetzt zu sein.

"Der Etappenhase" hieß zudem auch ein Lustspiel, das durch den verstorbenen Volksschauspieler Willy Millowitsch bekannt geworden ist. Das Stück aus der Feder von Karl Bunje, spielt zur Zeit des Ersten Weltkriegs, Fleisch ist Mangelware. Der Hauptdarsteller Anton bringt einen gestohlenen Hasen mit nach Hause, den er behauptet gefunden zu haben. Ein großes Fest scheint sich anzubahnen, doch am Ende bekommt Anton das Fell über die Ohren gezogen.

Christian Wulff als Opfer, den die Medien zu Tode hetzen? "Das geht doch völlig an der Wirklichkeit vorbei", kommentiert Jacques Tilly den kölschen Wulff-Entwurf. Die Kölner seien viel zu soft. "Da wird doch oben und unten verwechselt. Wieso nehmen die Kölner einen Hasen, wenn sie doch eigentlich das von einer Medienmeute gejagte Unschuldslamm Wulff meinen?" In Düsseldorf werde man mit dem Thema anders umgehen. "Natürlich schärfer", sagt Tilly. Bisher gebe es aber noch nicht mal eine Skizze. "Die entsteht erst kurz vorher, und zeigen tun wir die auch nicht. Dann kann auch keiner meckern."

"Vielleicht liefert sich Wulff ja auch noch selbst ans Messer"

Für die Kölner um Zugleiter Christoph Kuckelkorn hat die Kritik aus Düsseldorf viel von einem Ritual. "Die Düsseldorfer bekommen so wenig Aufmerksamkeit, dass sie sich jetzt zu Wort melden müssen." Zudem zeigten die Umfragen, dass die Bundesbürger ja nicht eindeutig kontra Wulff eingestellt seien. Deshalb habe man beim Kölner Wagen noch offen gelassen, wer letztlich der Metzger sei. "Vielleicht liefert sich Wulff ja auch noch selbst ans Messer." Die Lage sei eben sehr diffus. "Ist es die Presse oder ist es das Volk, das den Bundespräsidenten zum Rücktritt drängt?" Außerdem gehe es bei dem Kölner Entwurf auch darum, Wulffs Taktik darzustellen. Schließlich bringe der die Fakten nur scheibchenweise ans Licht.

Auch in den Sälen, bei den großen Prunksitzungen, kommt noch kein Redner an Wulff vorbei. Doch je länger die Karnevalssaison dauert, desto schwieriger wird es, mit dem Bundespräsidenten noch einen Lacher zu ernten. Bei rund 500 Sitzungen, die in Köln bis Rosenmontag stattfinden, nimmt die Halbwertszeit eines Wulff-Witzes rapide ab.

Zumal Marc Metzger, der erfolgreichste Redner, den der Kölner Karneval in den vergangenen Jahren hervorgebracht hat, bei der Inthronisierung des Kölner Dreigestirns, der Prinzenproklamation, den kölschen Umgang mit dem Bundespräsidenten so treffend auf den Punkt gebracht hatte, dass dies kaum noch zu toppen ist: Die Eintrittskarten für die Proklamation, die zu den wichtigsten gesellschaftlichen Ereignissen in Köln gehört, könne man sich nur "er-wulffen", ätzte Metzger in seiner Rolle als Hofnarr. Warum sich der Bundespräsident immer wieder erklären müsse, welcher Unternehmer aus seinem Umfeld ihm einen Freundschaftsdienst erweise, könne man in Köln überhaupt nicht verstehen. "Da muss der Christian Wulff sich zwanzig Minuten lang entschuldigen, dass er jemanden kennt, der ihm geholfen hat. Da fragt man sich bei uns in Köln: Wo ist das Problem? Wenn das ein Problem ist, wäre der Saal hier heute leer."

"Muss nur noch kurz den Wulff retten und dann noch meine Mailbox checken"

Da kann selbst der Meisterkarnevalist Bernd Stelter nicht mithalten. Er hat mal eben schnell einen Song von Tim Bendzko umgetextet. "Muss nur noch kurz den Wulff retten und dann noch meine Mailbox checken." Im übrigen stamme der Vorname Christian eigentlich aus dem Altgriechischen, weiß Stelter. "Das hieß früher 'Der Gesalbte', heute würde man sagen 'Der Geschmierte'..."

Auch Guido Cantz' Präsidenten-Witz ist eher müde. "Die heutigen Politiker stehen auf Kriegsfuß mit Bürogeräten", sagt er in seinem Programm. "Guttenberg ist am Kopierer gescheitert und Wulff fast über den Anrufbeantworter gestolpert."

Darüber lacht mittlerweile kaum noch einer. Wenn noch was geht im selbstverliebten Köln, dann sind es Wulff-Witze mit Bezug zur Narrenhochburg am Rhein. Wie der von Jupp Menth, der seit Jahren als "kölscher Schutzmann" durch die Sitzungssäle der Karnevalsgesellschaften zieht. "Ich wusste gar nicht, dass die uns in Hannover als Klüngelhochburg den Rang ablaufen wollen. Aber keine Sorge, den Titel holen wir uns zurück." Das ist ein Präsidentenbrüller, der in Köln nie alt wird.

 

Kasten: EWIGER WETTSTREIT

Köln gegen Düsseldorf, Kölsch gegen Alt. Auch im Karneval pflegen die beiden Städte ihre Rivalität. Bei den Rosenmontagszügen prallen verschiedene Philosophien aufeinander. An der Gestaltung der Kölner Wagen kann sich jeder beteiligen. So wird es dieses Jahr einen Wagen geben, den eine elfjährige Schülerin entworfen hat. Ihr Thema: gammelige Schulklos.

In Düsseldorf ist der Zug ein provokantes Gesamtkunstwerk, Jahr für Jahr von Wagenbauer Jacques Tilly gestaltet. Der lässt sich nicht in die Karten gucken, wenn seine radikalen und provozierenden Werke entstehen.

Beim Liedgut kommen die Kölner auf geschätzte 50 000 Karnevals- und Heimatlieder. Derart viele Lieder haben die Düsseldorfer nicht zu bieten. Sie müssen im Karneval teilweise auf die Stars aus Köln zurückgreifen. Eine Düsseldorfer Karnevalsband, die in Köln auftritt, wäre jedoch undenkbar.

Bildtext: "Der Etappenhase" finden die Düsseldorfer zu harmlos. Foto: DPA

Bildtext: Der gefesselte Edmund Stoiber wird 2007 abtransportiert. Foto: AP

Bildtext: Im Jahr 2009 begeisterte Angela Merkel als säugende Wölfin. Foto: DAPD

Bildtext: Guttenbergs Sturzflug auf dem Rosenmontagszug 2011. Foto: DAPD