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Düsseldorf bissig - Köln meist allzu brav

Westdeutsche Zeitung, 28.2.2006, von Dieter Sieckmeyer

Auf den Titelseiten internationaler Zeitungen waren seine jecken Wagen schon zu sehen. Auch gestern hatte Düsseldorfs Wagenbauer Jacques Tilly die Nase vorn.

Düsseldorf. Was den Unterschied zwischen den Rosenmontagszügen in Köln und Düsseldorf ausmacht? Bilder sagen bekanntlich mehr als Worte, und wer gestern Nachmittag die TV-Übertragungen der Umzüge aus den beiden Rhein-Metropolen im Vergleich gesehen hat, der weiß, dass der Unterschied Jacques Tilly heißt. In Köln rollte ein riesiger Franz Beckenbauer durch die Stadt, der einen Fußball in die Luft hielt. Die Konkurrenz aus Düsseldorf zeigte gleich am Anfang den iranischen Präsidenten Mahmud Amadinedschad als Atombombe, der von einer hilflosen UN mit einem Fliegennetz verfolgt wird.

Ähnlich fällt der karnevalistische Wettbewerb schon seit langem aus, denn der gelernte Bildhauer Jacques Tilly baut bereits seit 23 Jahren die Düsseldorfer Rosenmontagswagen. Natürlich nicht allein, sondern mit einem Team, das aus ehemaligen Studenten der Kunstakademie besteht. Besonders stolz war er im vergangenen Jahr, als sogar eine große Kölner Zeitung neidlos zugab, dass die Konkurrenz aus Düsseldorf beim Zug die Nase vorn hat. Bitter, wenn man weiß, wie stolz die Kölner auf ihren Karneval sind. Kurz danach hat der Kölner Zugleiter Christoph Kuckelkorn sogar den Versuch unternommen, Tilly abzuwerben. "Aber ich bleibe in Düsseldorf", macht der 42-Jährige klar.

In diesem Jahr wurde in der Wagenbauhalle viel diskutiert. "Ich wollte die Themen Iran und Meinungsfreiheit unbedingt im Zug haben", erklärte der Künstler, "es ging darum, einen Weg zu finden, ohne dass wir Menschenleben gefährden." Den iranischen Präsidenten aus Pappmachee abzubilden, fand er vertretbar: "das ist nicht vergleichbar mit den Mohammed-Karikaturen. Das ist ein Politiker und kein religiöser Würdenträger. Wir machen uns über alle Präsidenten lustig. Und die Religion ist uns auch egal."

Ähnlich verhielt es sich mit dem Wagen zur Meinungsfreiheit. Der zeigt zwei Narren, die in einem Sarg die Meinungsfreiheit beerdigen. In dem steckt ein Krummsäbel. Tilly: "Die Meinungsfreizeit ist für mich die große Errungenschaft unserer abendländischen Kultur. Dafür müssen wir uns offensiv einsetzen. Auch im Karneval." In diesen beiden Fällen hat sich der Künstler beim Carnevals Comitee die Genehmigung zum Bau geben lassen. In Köln fängt die Zensurgrenze früher an: Hier wurde auch die Figur von OB Schramma, dem die politischen Gegner vier Messer in den Rücken gestochen haben, offiziell abgesegnet. Aus Sicherheitsgründen vom OB-Büro persönlich.

Angeeckt ist der Düsseldorfer schon öfter. Als er den Kölner Kardinal Meisner zeigte, wie er eine Frau, die abtreiben will, auf den Scheiterhaufen stellte, empörte sich die katholische Kirche. Die hatte Tilly ohnehin schon seit 1996 im Blick. Damals nagelte er im Zuge des Kruzifix-Urteils bayerische Narren ans Kreuz. Ein eifriger katholischer Pfarrer aus Düsseldorf rückte die Künstler damals in die Nähre von Nazis. Rosenmontagszugleiter Herrmann Schmitz musste damals seinen Hut nehmen (heute ist er wieder im Dienst) und es wurde sogar eine Fernsehdokumentation über die "Kruzifix-Affäre" gedreht. Sie endete damit, dass besagter katholischer Pfarrer kurz danach zugeben musste, seinem Dienstherrn ein uneheliches Kind unterschlagen zu haben. Der Pfarrer ging, Jacques Tilly ist noch da.

4 Fotos - Bildunterschrift: Darauf muss man kommen: (im Uhrzeigersinn) Irans Präsident als Atombombe, die die hilflose UN mit dem Schmetterlingsnetz einfangen will. Die Meinungsfreiheit wird als von einem Krummsäbel durchbohrter Sarg dargestellt, und Jacques Tilly fällt auch für die Kampagne: "Du bist Deutschland" eine bissige Darstellung ein.

Foto unten:
Bildunterschrift: Nett anzuschauen, aber ohne echte Komik: Ein Kölner Motto-Wagen mit Franz Beckenbauer, der einen Fußball als Weltkugel hält.