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Abtreibungen mit Holocaust verglichen

Westdeutsche Zeitung Januar 2005

Kölner Kardinal Meisner erntet für eine Predigt harsche Kritik/Paul Spiegel zeigt sich empört

Köln/Düsseldorf (Red.) Der umstrittene Kölner Erzbischof Kardinal Joachim Meisner hat Abtreibungen mit den Verbrechen von Hitler und Stalin verglichen und dafür heftige Kritik eingefahren. Meisner hatte in einer Predigt am Dreikönigstag in Köln den biblischen Kindermord von Bethlehem unter anderem mit dem NS-Völkermord und heutigen Abtreibungen gleichgesetzt. Damit habe er Millionen Holocaust-Opfer beleidigt, sagte der Präsident des Zentralrates der Juden, Paul Spiegel, gestern in Düsseldorf. Meisner bestritt, die Juden verunglimpft zu haben.

Der Sprecher des Kölner Erzbistums, Manfred Becker-Huberti, sagte: "Der Kardinal hat das Verbrechen der Abtreibung in Zusammenhang gebracht mit den großen historischen Verbrechen." Der Sprecher betonte zugleich: "Er hat nicht die Juden verunglimpft, sondern die Verbrechen von Hitler und Stalin angeprangert." Wörtlich habe Meisner im Kölner Dom gesagt: "Zuerst Herodes, der die Kinder von Bethlehem umbringen lässt, dann unter anderem Hitler und Stalin, die Millionen Menschen vernichten ließen, und heute, in unserer Zeit, werden ungeborene Kinder millionenfach umgebracht.

Spiegel zeigte sich geschockt und empört und forderte: "Meisner muss sich unverzüglich von diesem unzulässigen Vergleich distanzieren." Ein Bischof habe eine Vorbildfunktion.

Die nordrhein-westfälische FDP nannte Meisners Worte "eine schlimme Entgleisung". Generalsekretär Christian Lindner kritisierte, dass die Kirche Trost und Halt spenden sollte, wenn sich Frauen in einer individuellen Notlage dazu entschließen, einen legalen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen.



Kommentar

Von Alexander Marinos

Spalten statt versöhnen: Auf diese Kurzformel lässt sich das Wirken des Kölner Kardinals reduzieren. Es ist ja verständlich, dass ein katholischer Würdenträger aus seiner Glaubensüberzeugung heraus Abtreibungen nicht billigen kann. Doch der Vergleich mit dem Holocaust ist eine unerträgliche Stigmatisierung von Frauen in Not und eine beschämende Relativierung des schlimmsten Verbrechens seit Menschengedenken. Keine andere öffentliche Person könnte es sich leisten, nach einer solchen Äußerung im Amt zu bleiben.

Wann endlich begreift Meisner, dass seine Predigten ungeborenes Leben nicht schützen können? Im Gegenteil: Frauen, die vor der Frage stehen, abzutreiben oder nicht, werden sich kaum Hilfe suchend an kirchliche Institutionen wenden, wenn sie befürchten müssen, dort als potentielle Schwerverbrecherinnen angesehen zu werden. Etwas weniger Ideologie und etwas mehr christliche Nächstenliebe: Aus der kalten Welt könnte ein wärmerer Ort werden.