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Der beißende Spott der Narren

Westdeutsche Zeitung, 8.2.2005, von Alexander Marinos

Der Weltpolizist USA, der Wettskandal und ein Kardinal als Inquisitor: Zum Teil böse Satire beherrschte die Umzüge in Düsseldorf, Köln und Mainz.

Düsseldorf/Köln/Mainz. Kamelle für die Narren, beißender Spott für die Politiker. Allein in Düsseldorf und Köln säumten bei den Rosenmontagsumzügen jeweils mehr als eine Million Jecken bei strahlender Sonne die Straßen und bestaunten die zum Teil derb-ironischen Mottowagen diesseits und jenseits des guten Geschmacks.

Zu den Lieblingsopfern des rheinischen Karnevals gehörten auch in diesem Jahr CDU-Chefin Angela Merkel und US-Präsident George W. Busch. Auf dem längsten Rosenmontagszug in der Geschichte der NRW-Landeshauptstadt wurde Weltpolizist Bush bei seinem "heiligen Kreuzzug" gezeigt. Mit einem Maschinengewehr in Form eines Kreuzes nimmt er den nächsten "Schurkenstaat" ins Visier. Auf einem anderen Wagen zerfleischen sich derweil zwei Pappmaché-Kampfhunde - der eine mit Merkel-Frisur, der andere mit Bayernhut und der Aufschrift "CSU" eine Anspielung auf den unionsinternen Dauerstreit.

Als satirischer Grenzgänger, die ebenso schnell wie drastisch auf aktuelle Themen reagieren, erwiesen sich die Düsseldorfer auch beim Thema Wettskandale. Ein Fußball durchlöchert einen Spieler und hinterlässt eine klaffende Wunde. Sein Fett weg bekam schließlich auch der Kölner Kardinal Joachim Meisner, der auf einem Wagen einen Scheiterhaufen entzündet und eine Frau, die abgetrieben hat, in den Flammentod schickt - eine böse Darstellung, die in Köln selbst so nicht zu finden war.

Überhaupt waren die Kölner politisch etwas zurückhaltender als die rechtsrheinische Konkurrenz. Ein Wagen zur Jugendkriminalität mit dem Titel "Flinke Finger werden immer länger" wurde vorsichtshalber umgebaut, bevor er auf die Straße durfte. Dafür nahmen die Kölner Kanzler Gerhard Schröder und seine Agenda 2010 ebenso bissig aufs Korn wie Bundesfinanzminister Hans Eichel und seine leeren Kassen. Die Rückkehr einiger Zeiten zur alten Rechtschreibung parodierte ein weiterer Mottowagen. Außerdem hatte die Domstadt mit Top-Model Heidi Klum und ihren Verlobten Seal leibhaftige Stars zu bieten. Die begehrte Klum verteilte Süßes ganz ohne Kalorien: heiße Handküsschen.

Dass Satire wirklich alles darf, wie es Zeitkritiker Kurt Tucholsky einst behauptet hatte, fand der Mainzer Karnevalsverein und löste mit dem wohl umstrittesten Wagen der Kampagne eine heilige Debatte aus. Der Wagen zeigt US-Präsident Bush mit einer Leiter am entblößten Hinterteil und dem Schild "Wieder eröffnet". Außerdem ist CDU-Chefin Merkel zu erkennen, die eilfertig auf die Leiter zurennt. Gekrönt wird die Darstellung mit dem Narrenreim "Da strahlt die Angela am Ende, George Bush bleibt Präsident. Sie fühlt sich wohl im Honeymoon, wir wünschen ihr Good After-Noon."

Hintergrund ist die Unterstützung Merkels für Bushs Angriff auf den Irak. Vor zwei Jahren hatte ein ähnlicher noch drastischerer Wagen in Düsseldorf bereits für Ärger gesorgt: eine "Uncle-Sam"-Figur mit nacktem Hintereil, aus dem eine Merkel-Figur direkt herausragte.

Empörte Bürger heilten das närrische Treiben für obszön. Der mächtigste Mann der Welt, der in zwei Wochen ausgerechnet in Mainz Schröder treffen will, werde erneut skandalös beleidigt, hieß es. Der Mainzer Oberbürgermeister Jens Beutel (SPD) wies die Kritik zurück: "Wenn wir dazu kommen in unserer Mainzer Fastnacht Zensur zu üben, dann sind wir am Ende."

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Zu den Lieblingsopfern der Narren gehörte auch an diesem Rosenmontag George W. Bush (hier beim Zug in Düsseldorf). Foto: Jan Naninga