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Laudatio auf Jacques Tilly vom Comiczeichner Ralf König am 2.2.2020

Selbstbildnis von Ralf König

Selbstbildnis von Ralf König


Meine Damen und Herren, liebe Lokalpolitiker und Würdenträger, sehr geehrte Pappnasen!

Wir sind alle  betriebsblinde Fachidioten, anders ist kaum zu erklären, warum Jacques Tilly hier in der LUDWIGGALERIE zum ersten Mal eine große Ausstellung gewidmet ist. 

Wobei diese Aussage ja nicht ganz richtig ist: Es ist quasi die erste unbewegliche Ausstellung, - wenn ich davon ausgehe, dass die hier zu sehenden Großplastiken nicht gleich vom Museumsteam fröhlich durch die Gänge geschoben werden. 

Denn natürlich hat Jacques Tilly und sein Team jedes Jahr eine Ausstellung, eine gigantische sogar, Düsseldorf sieht dem Ereignis Jahr für Jahr freudig entgegen, inzwischen sind seine Skulpturen Hingucker in den Tagesthemen und sogar in der internationalen Presse! Von überall in der Welt schaut man auf den Düsseldorfer Karneval.

Wenn ich also einen Vorschlag machen darf: Damit Jacques nicht weiterhin befürchtet, kein großer Karikaturist zu sein und schon gar nicht ins Museum zu gehören, sollten wir uns gleich alle schnell betrinken und den Bildern und Exponaten lauthals zujubeln! Leise Gespräche in den heiligen Hallen der Kunst ist der Mann nicht gewohnt!

Als politische Karikatur gilt anscheinend vor allem das, was wir vereinzelt in der Tageszeitung sehen, was wir beschmunzeln oder auch nicht und dann weiterblättern. Selten trinken wir vor der Betrachtung eines gezeichneten Zeitungswitzes erst mal drei Flaschen Altbier und bringen uns in Stimmung.    

Wenn ich also von Betriebsblindheit spreche, meine ich die Comic- und Cartoonisten-Szene und die wenigen Medien, die sich noch für Karikatur und gezeichnete Satire stark machen. In Frankfurt wird jedes Jahr an die besten Zeichner der Sondermann-Preis verliehen, da gibt es die Titanic-Redaktion und im schönen Museum für komische Kunst werden die Klassiker und die Nachfahren der Neuen Frankfurter Schule regelmäßig mit Ausstellungen geehrt. Es gibt in Hannover das Wilhelm-Busch-Museum, - hatten die je den Eindruck, dass Jacques Tilly sie etwas anginge? Was ist mit der Caricatura-Galerie in Kassel, was mit dem Cartoonmuseum Basel?  Tilly ist rheinischer Karneval! Schublade zu!      

Klar, es gibt hervorragende politische Cartoonisten im Land, Til Mette würde ich hier nennen oder auch Martin Perscheid und Heiko Sakurai. Aber zu meiner Überraschung nahm Jacques sich nicht mal selbst als einer von ihnen wahr, als ich ihn vor einigen Jahren darauf ansprach. Er sei ja kein wirklich guter Zeichner, das seien ja nur Skizzen für den Wagenbau. 

Und das war keine Koketterie, nicht mal falsche Bescheidenheit! Er sah sich einfach nicht in der Karikaturisten-Liga! Es war, als hätte ich einen Klempner gefragt, warum er nicht schon lange Stararchitekt ist!

Manchmal sieht man die Dinge nicht, weil sie zu groß sind und direkt vor unserer Nase stehen! Und gerade der Karneval wird von außen selten als Schmiede des intelligenten Humors wahrgenommen. Dass Jacques Tilly in erster Linie mit seinen Mottowagen gigantisch große Cartoons baut, macht ihn einerseits einzigartig unter den Cartoonisten und andererseits übersehbar. 

Da ist es überfällig, zu prüfen, ob Jacques‘ Witz wirklich zwingend auf den Karneval zu beschränken ist. Und es ist erfreulich, dass diese Frage hier in der LUDWIGGALERIE zum ersten Mal in aller Pracht gestellt wird! Christine Vogt beweist mal wieder den richtigen Riecher, den musealen Wert von Comics und Cartoon abzuklopfen! 

Ja, Jacques Kunst ist eng, aber nicht untrennbar mit dem Karneval verbunden. Als vor einigen Jahren ausgerechnet am Rosenmontag ein Sturmtief über Deutschland fegte und die Düsseldorfer Gefahr liefen, von vorbeifliegenden Putins, Merkels und Papst Benedicts erschlagen zu werden, zeigte man die Pappskulpturen eben einige Monate später in der Innenstadt bei nicht so närrischer Stimmung, und siehe da: Die Pointen übertrugen sich auch ohne Alkoholeinfluss. 

Jacques, du siehst hier an der etwas steifen Gesellschaft, Dein Humor ist auch nüchtern zu ertragen!


Ich weiss nicht, wie es Ihnen geht, aber kaum etwas schnarcht mich so an wie die Frage, was Satire denn ‚heutzutage dürfe‘. Seit dem ersten sogenannten Karikaturenstreit damals, ausgelöst durch eine dänische Tageszeitung wird dieses Thema kontrovers diskutiert. 

Darf Satire nun ‚alles‘ oder nicht? 

Jacques ist noch einer uns alten Humor-Haudegen, die sagen, Satire darf  nicht nur, sie soll und muss sogar, - nämlich nerven, auf die Füße treten, den Finger nicht nur auf die Wunde legen, sondern auch noch richtig drin rumpopeln! 

Es ist doch der Sinn der Karikatur, auf den Punkt zu bringen, zuzubeißen, zu entblößen, lächerlich zu machen, zu verarschen! In Ländern, die denen Satire aus religiösen oder politischen Gründen wütend verfolgt wird, würde niemand von uns leben wollen. Was also soll die Frage, was Satire ‚darf‘?  

Aber der gute, entlarvende Witz ist auch bedroht, wenn er schon vorab selbstzensiert und weichgespült wird. Wenn der Hofnarr dem Kaiser den Witz erst schriftlich zukommen lässt, damit dieser prüfe, ob er ihm genehm sei, ist die Pointe verkackt. 

Ich will die Arbeit der Kölner Karnevalswagenbauer nicht schmälern, auch sie sind sicher mit Herzblut bei der Sache und der Kölner Rosenmontagszug ist pompös und prachtvoll und weltberühmt, gar keine Frage! Und man kann Köln auch nicht vorwerfen, dass es keinen Tilly hat! Solche Ausnahmekünstler sind halt nicht in jeder Dorfgemeinde zu finden. 

Und ich selbst habe 20 Jahre lang mit Leidenschaft in der ersten Reihe Fastlovend gefeiert und kann sagen: Es tut der bierseligen Stimmung am Kölner Straßenrand keinen Abbruch, dass die bunten Wagen mit einer gewissen Harmlosigkeit daherkommen. 

Aber Harmlosigkeit ist nun mal nicht die Eigenschaft des guten politischen Witzes. 

Und gerade im Karneval, auf den der Kölner sich ja gern ganzjährig einen runterholt, gerade am Rosenmontag hat Düsseldorf einfach mal den Größten! Nämlich Jacques Tilly! Das ist unübersehbar, unbestritten und den Kölnern alle Jahre wieder ziemlich peinlich. 

Aber wenn man nach dem furchtbaren Anschlag auf die Charlie Hebdo-Redaktion in Paris einen ohnehin lauen Islam-Witz erst zurückzieht, um ihn dann in nochmals weichgespülter Form erst von irgendwelchen muslimischen Humorbeauftragten als einerseits lustig genug und andererseits als so lustig wie nötig abnicken zu lassen, bleibt der Lacher nun mal auf der Strecke. 
     
Diese Posse konnten wir im Kölner Stadtanzeiger in mehreren Artikeln verfolgen und waren peinlich berührt.

Denn währenddessen setzte Jacques Tilly in Düsseldorf gleich vier Riesencartoons auf die Wagen, die keinen Zweifel darüber ließen, wer letztlich die Lachnummer war! Nämlich nicht nur die grotesken, religiös verblendeten Islamisten aus Pappmache! Sondern auch alle Karnevalsumzüge außerhalb Düsseldorfs, die sich an das schreiend wichtige Thema eben nicht herantrauten! 

Die standen nun alle mit runtergelassenen Hosen da, und zu Recht! Denn wenn der Karnevalsbrauch ursprünglich aufmüpfig war, um Regierende und Würdenträger mal anständig gegen den Strich zu bürsten, ist es nicht zweckmäßig, sich beim Witz zu zieren und die Pointe verschämt in die Handfläche zu hüsteln. 

Wenn die katholischen Kardinäle in Köln beim Mottowagen milde mitlächeln, losse mer zwar den Dom in Kölle, aber der Witz jeht lebber zu Foß nach Dösseldorf! 

Ich kenne Jacques Tilly seit einigen Jahren persönlich, weil wir beide im Beirat der Giordano Bruno-Stiftung sind, - übrigens der vernünftigsten, humanistischsten und aufgeklärtesten Stiftung überhaupt, der sie gern alle beitreten können. Da habe ich am Rande schon mal mitgekriegt, dass die Arbeit an den Karnevalswagen nicht nur die reine Freude ist. 

Die Tagespolitik macht vor den tollen Tagen keine Pause, damit Jacques vorm Rosenmontag in Ruhe alle dringenden Themen auf die Wagen hievt!  Jacques und sein Team haben wahrscheinlich kaum Zeit, heute hier rumzusitzen und sich beweihräuchern zu lassen!

Überhaupt gibt es da wahrscheinlich jede Menge Erwartungs- und Leistungsdruck, jedes Jahr ein paar neue Knaller durch die Stadt zu schieben! Den zeitweiligen Stress in Jacques Kopf und in der Werkstatt vermögen wir uns nicht vorzustellen. 

Und ja, auch die latente Bedrohung durch humorbefreite religiöse Irre ist ein Thema. Nach den Terroranschlägen kann man sich fragen, wie viele Filme zum Thema nicht gedreht wurden, wie viele kritische Bücher nicht geschrieben und wie viele Karikaturen aus Angst nicht gezeichnet wurden. Niemand von uns schüttelt diese Besorgnis leichtfertig ab, auch Jacques Tilly nicht. 

Umso ehrenwerter ist sein unbedingter Wille, jedes Jahr im Februar wieder auf die Kacke zu hauen! Da ist der Wille und da ist der Mut, - aber ich vermute, Jacques kann gar nicht anders, als seinen Senf dazu geben. 

Denn Hand aufs Herz: Dass Donald Trump der mächtigste Mann der Welt ist, kann doch nur  ein schlechter Scherz sein! Auch Erdogan und Putin und dieser rechte Knallkopf in Brasilien, der die restlichen Regenwälder abbrennen lässt, als ginge es ihm mit dem Weltuntergang nicht schnell genug. Dass diese dumpfen Alphamännchen gewählte Staatenlenker sind, ist doch nicht wirklich der Ernst der Menschheit! 

Dahinter müssen sich irgendwelche Pointen verstecken! Jacques Tilly versucht vielleicht nichts anderes, als schlechten Humor irgendwie aufzupimpen. Da stehen die Wichtigtuer weithin sichtbar als riesengroße Witzfiguren, die nach den tollen Tagen in den Müll gestopft werden, wo sie schon lange hingehören. 

Jede selbstverliebte Pappnase landet irgendwann auf der Deponie der Geschichte! Seht nur, Boris Johnson, was für eine Backpfeife! Aussen pappig, innen hohl, und nach kurzer Zeit ist der Lack ab!   

Man kann von dem Medienhype um Greta Thumberg genervt sein, aber die junge Frau hat natürlich recht mit ihrer Analyse. Die Politiker hören ihr ja auch geduldig zu und tätscheln ihr verständnisvoll den Kopf, - um danach so weiterzumachen wie bisher. Jacques Tilly tätschelt niemandem den Kopf, er gibt nur kurze, schmerzhafte Kopfnüsse! 

Jacques, wir sind schwer begeistert von Deiner enormen Leistung! Sei nicht irritiert, wenn wir trotzdem hier die Museumsetikette wahren und uns nicht betrinken und nicht schunkelnd deinen Bildern zujubeln! Du bist unter den großen Cartoonisten eindeutig der voluminöseste! 

Diese Erkenntnis geht nun nicht nur von Düsseldorf, sondern auch von Oberhausen hinaus in die Welt! 

Liebes Werkstattteam um Jacques Tilly, weitermachen! Wir Pappnasen brauchen Euch!