Pressespiegel2007Rosenmontag 2007

Bunt und bissig: D'r Zoch macht sich keine Illusionen

Westdeutsche Zeitung, 20.2.2007, von Uwe-Jens Ruhnau

KRITIK Der jecke Lindwurm war unterhaltsam, hatte aber zu wenig Musik.

Zweieinhalb Stunden Rosenmontagszug: Das ist für die meisten Kurzweil und gute Laune. Zu meckern gibt's nur Kleinigkeiten:

Mottowagen: Starker Neunerpack mit Sprengstoff

Jacques Tilly balanciert gerne auf dem Rand eines Vulkankraters. Seine Mullahs mit Sprengstoffgürtel sind das große Politikum des Zuges und sehr gewagt. Im Rathaus wird gleich heftig diskutiert (siehe links), die Muslime wehren sich gegen "verachtenden Zynismus" (siehe Titelseite).

Tilly setzt bei seinen neun Mottowagen auf die großen nationalen und internationalen Themen - von der etwas bemüht umgesetzten Gefahr fürs Klima und den bärtigen Kurnaz, der wie eine Krake den Außenminister würgt, über den Elefantenfriedhof "Große Koalition" bis hin zu den Viagra-gestählten Lustreisen des Peter Hartz und einen erlegten Edmund Stoiber. Die beiden lokalen Mottowagen thematisieren die Handke-Pleite beim Heine-Preis und den Führungsstreit in der SPD: Ein Vogel namens Hock zieht den Wurm aus dem Boden - dieser Wagen hat beste Chancen, in den Pressespiegel des jubelnden Oberbürgermeisters zu kommen.

Die Gesellschaftswagen: Bieder bis schön bunt

Ein bisschen mehr Phantasie haben die Wagen der Karnevalsgesellschaften verdient. Aus dem Allerlei ragen unter anderem heraus die lila Drachen der Großen KG, die Gemüsepracht der Närrischen Marktfrauen sowie die Pharaonen von Närrisch Welthus, aber auch die Hirsche der Ehrengarde und die Flut an roten Rosen bei der Prinzengarde Rot-Weiss. Sonst herrscht eine Mischung aus Belanglosig- und Nettigkeit vor. Das liegt aber auch am Motto: Närrische Illusionen bedeuten alles und nichts - weswegen der Schriftzug oft nur einfach so auf den Wagen zu sehen ist. Ausnahme sind die Champions League-Teilnahme (Stadtwerke) oder der Aufstieg (Blau-Weiss Büderich) der Fortuna sowie der Frieden unter den Religionen (Rheinische Garde).

Singt doch selbst: Die Musik machte zu viele Pausen

In früheren Jahren hat es immer auch mal die Kritik gegeben, dass die Musikkapellen zu nah beieinander marschieren und sich Konkurrenz machen. Gestern ist es das Gegenteil: Oft herrscht geradezu Ruhe zwischen den Wagen, bis irgendwann mal wieder eine Musik kommt. Ansonsten sind die Klassiker zu hören: Da schwärmen selbst Bären von Männern, dass sie gern Cowboy und Indianer spielen wollen, erschallt immer wieder das Altbierlied oder die Hymne auf die schönen Farben Rot und Weiß.

Den großen Elan bringen die Gäste aus aller Welt

Feuer und Herzblut bringen die Gäste mit: Die Düsseldorf-Moskauer Freundschaft wird mit "Kalinka" gefeiert, Teneriffa wogt mit Blumenpracht. Klasse sind die Corporales de Bolivia, die sich tanzend, wippend und drehend durch die Altstadt bewegen.